Wenn Kassen über IGeL reden, führt das nur zum Kater
Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW), Dr. Norbert Metke, hat den gesundheitspolitischen Aschermittwoch zum Anlass genommen, Teile der Krankenkassen und insbesondere den GKV-Spitzenverband deutlich wegen ihrer Polemik über Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) zu kritisieren.
Metke sagte am Mittwoch in Stuttgart: „Es bedarf ausgefeilter Anti-Kater-Rezepturen, um die Nachwehen auszuschalten, wenn die Kassen im IGeL-Monitor des GKV-Spitzenverbandes die niedergelassenen Ärzte als qualitätsbefreite und evidenzlose Abzocker hinstellen, während einzelne Krankenkassen die identischen Leistungen, wie etwa Teile der Osteopathie, Homöopathie und anthroposophische Medizin, die kaum eine Evidenz aufweisen, als werbewirksame Satzungsleistung anbieten.“
Metke weiter: „Wer sich als Gralshüter der Beitragsstabilität aufführt und gleichzeitig die Erstattung OTC-fähiger Medikamente ermöglicht, deren Entfernung aus dem Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenkassen er einst selbst forderte, muss sich fragen lassen, ob er nach dem Aschermittwoch noch ernst genommen werden will. Völlig zu Recht bezeichnet der GKV-Spitzenverband im IGeL-Monitor beispielsweise die Bachblütentherapie als Scheinbehandlung, einzelne Kassen erstatten diese jedoch im Rahmen der homöopathischen Behandlung. Wer die PSA-Bestimmung zur Früherkennung von Prostatakrebs als 'tendenziell negativ' abstempelt, im gleichen Schritt aber osteopathische Behandlungen bis zu 360 Euro im Jahr subventioniert, wäre besser auf dem Themenwagen "Angeschlagen und K.o." des Rosenmontagsumzugs in Köln aufgetreten als auf der gesundheitspolitischen Bühne.“
Der KVBW-Vorstand führte darüber hinaus an, dass diejenigen, die im Rahmen des derzeit diskutierten Patientenrechtegesetzes den "fachlichen Standard" bei ärztlichen Behandlungen fordern, einen seriösen Qualitätsstandard dringlich auch bei andern Beteiligten im Gesundheitswesen, insbesondere den Krankenkassen, anmahnen sollten. So gebe es klare "Spielregeln", unter welchen Voraussetzungen Ärzte gegenüber Patienten IGeL überhaupt erbringen dürfen.
„Anstatt mit den erarbeiteten Geldern der Versicherten aus Werbegründen Voodoo-Leistungen anzubieten, sollten sich diese Krankenkassen am Beispiel anderer messen lassen und die Versichertengelder zur Beseitigung von Versorgungsengpässen verwenden. Begrüßenswert sind hier insbesondere die Selektivverträge der AOK Baden-Württemberg, die verbesserte geriatrische Versorgung von Barmer-GEK-Patienten, die Patientenbegleitprogramme der Betriebskrankenkassen in Baden-Württemberg und die gemeinsame Förderung des ambulanten Operierens und der Notfalldienstversorgung der Bevölkerung durch alle Kassenverbände im Lande. Man wird strikt darauf achten müssen, dass der Anspruch auf Qualität nicht nur bei Ärzten gilt, während man anderen einen Freibrief für Mittel-Verschwendung ausstellt.“
Metke abschließend: „Die meisten Märchen haben eine Logik und gehen gut aus. So sollte auch das Märchen vom abzockenden Arzt und der guten Fee der Krankenkassen-Evidenz einem Happy End zugeführt werden. Und dieses heißt: Vernunft, Maß und Qualität durch Ärzte, aber auch von Krankenkassen.“