Voll vorbei ist nur daneben
„Wir können alles, außer Hochdeutsch und Dialektik zu Lasten von Kranken!“ Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg, Dr. Norbert Metke, hat die heutige Veröffentlichung des Prognos-Gutachtens zur ärztlichen Versorgung scharf kritisiert.
Metke sagte in Stuttgart: „Die Veröffentlichung des Prognos-Gutachtens zum jetzigen Zeitpunkt ist ein ebenso durchsichtiger wie unwirksamer Versuch von Teilen der Krankenkassen, das GKV-Versorgungsgesetz zu boykottieren. Es ist absoluter Irrsinn, dass auf der einen Seite die Bürgermeister und Landräte Schlange vor meiner Türe stehen, um ihrer Sorge vor dem Zusammenbruch der Versorgung Ausdruck zu geben, und andererseits die Krankenkassen behaupten, dass es 12.000 Ärzte zu viel gibt.“ Der KVBW-Chef bezeichnete es als „Schande, dass es Teilen der Krankenkassen nicht gelingt, ihre 20 Jahre alten Betonkopf-Denkstrukturen zu überwinden und sich der Realität zu stellen.“ Bereits die Denkweise in Über- und Unterversorgung ist laut Metke komplett überholt, da sie auf Kriterien beruht, die von allen Experten anerkannt nicht mehr aussagekräftig sind.
„Wir haben heute auch in den angeblich überversorgten Gebieten bereits viel zu lange Wartezeiten, vor allem bei Fachärzten. Wer dies auf der einen Seite beklagt und Sanktionen gegen terminunwillige Ärzte fordert, auf der anderen Seite aber Arztsitze abbauen möchte, der sollte sich ein paar ernsthafte persönliche Gedanken machen. Auf keinen Fall ist er aber dafür geeignet, eine verantwortungsvolle Position in einem so komplexen System wie der Gesundheitsversorgung einzunehmen, in dem es nicht um das liebgewonnene Feindbild "Arzt", sondern um zu versorgende Kranke geht.“ Zudem werde die Pendlerproblematik in den Großstädten nicht berücksichtigt, die beispielsweise für eine Stadt wie Stuttgart mit etwa 580.000 Einwohnern bedeute, dass sich jeden Tag mehr als 200.000 Personen zusätzlich in der Stadt befinden.
Metke forderte den Spitzenverband der Krankenkassen auf ihren Versicherten und der Öffentlichkeit mitzuteilen, auf welche Arztpraxen ihrer Ansicht nach verzichtet werden könnte.
Nur noch mit Kopfschütteln kommentierte Metke den „Vorschlag“, die KVen sollten diese Arztsitze aufkaufen und dies aus der Gesamtvergütung der Ärzte bezahlen. Er sei gespannt, wann Teile der Krankenkassen auf die Idee kämen, mit den Mitteln ihrer Versicherten das Zuviel an deutschen Krankenkassen aufzukaufen.
Metke weiter: „Gemeinsam mit pragmatischen Kassen in Baden-Württemberg haben wir in einem Modularsystem aus Selektiv- und Kollektivverträgen einen Weg gezeigt, der geordnete Verhältnisse ermöglicht. Dabei hat sich gezeigt: Wir können alles, außer Hochdeutsch und Dialektik zu Lasten von Kranken!“