Über den Wolken – und bei Ministern – muss die Freiheit doch grenzenlos sein
Mit deutlichen Worten hat der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Baden Württemberg (KVBW), Dr. Norbert Metke, die Forderung der Gesundheitsministerin aus Rheinland-Pfalz, Frau Malu Dreyer, nach einem verpflichtenden Patientenbegleitbrief kritisiert.
Metke sagte am Mittwoch in Stuttgart: „Grenzenlosigkeit gibt es offenbar nicht nur über den Wolken, sondern auch in Ministerien - zumindest was das Schöpfungspotential neuer teuerer Bürokratie für Ärzte angeht. Wer einen verpflichtenden Patientenbegleitbrief in allgemein verständlicher Form nach Abschluss der Behandlung fordert, der verkennt die Situation in den Praxen völlig. Bundesweit werden im ambulanten Bereich pro Jahr rund 800 Millionen Behandlungsfälle versorgt. Wie sollen hier jedes Mal verpflichtende Arztbriefe erstellt werden? Soll ein Landarzt mit 1.800 Scheinen im Quartal sich noch zusätzlich hinsetzen und seine Zeit damit verbringen, permanent Arztbriefe zu schreiben? Ich kann nicht erkennen, welchen Sinn dies ergeben könnte, es sei denn, man wünscht eine weitere Reduktion der Zeit, die der Arzt wirklich für seine Patienten zur Verfügung hat.“
Enorme Kosten - keine Versorgungsverbesserung
Metke verwies darauf, dass die Kosten einer solchen Maßnahme enorm wären. „Nach der derzeitig gültigen Vergütungsordnung für den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung (EBM) betragen die von den Krankenkassen anerkannten Kosten für einen Arztbrief 7,36 Euro. Die Erstellung von 800 Millionen Patientenbegleitbriefen würde daher eine stolze Summe von rund 6 Milliarden Euro nebst 400 Millionen Portokosten hervorrufen, ohne dass sich die Versorgung hierdurch bessert.“
Aus seiner langen Erfahrung als niedergelassenen Arzt kann Metke auch den Vorteil für den Patienten nicht erkennen. „Gerade im ambulanten Bereich werden eine Vielzahl von Vorsorgeuntersuchungen und Bagatellbehandlungen durchgeführt. Was hat der Patient davon, wenn ihm mit viel Aufwand und Kosten mitgeteilt wird, dass er eine oberflächliche Schürfwunde am kleinen Finger rechts gehabt habe, an die er sich zum Zeitpunkt des Erhalts des Briefes kaum noch erinnern kann?“ Darüber hinaus stellt Metke fest, dass es geradezu ein Vergehen am Patienten ist, schwersterkrankte Patienten, wie etwa Multiple-Sklerose- oder Karzinom-Patienten kontinuierlich in Briefform daran zu erinnern, welch schlimmem Schicksal sie anheim gefallen sind, oder dass sie nur noch kurze Zeit zu leben haben: „Das kann ja wohl nicht im Ernst Plan der Politik sein!“
Metke weiter: „Viele in der Republik sind ideentechnisch hochproduktiv, was mit den derzeitigen erheblichen Überschüssen der Krankenkassen passieren könnte. Wenn man sie nicht im Sinn einer Haushaltskonsolidierung der Krankenkassen für schlechtere Zeiten zurücklegen will, und für Sparsamkeit schlägt das Herz des Schwaben ja bekanntlich immer, dann könnte man diese Mittel sicherlich sinnvoller einsetzen als für das Abholzen von Wäldern, Entnervung der Ärzte, Überbürokratie und Ernährung des Postgewerbes. Ich denke da beispielsweise an Versorgungsengpässe wie sie bei Pflegeheim-Patienten oder in der palliativmedizinischen Versorgung vorkommen. Hier wäre das Geld bestens angelegt.“