Sie säen nicht und ernten doch

Die Ammenmärchen um die Schuld an sogenannten Facharztwartezeiten

Mit scharfen Worten hat der Vorstands-vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg, Dr. med. Norbert Metke, Pläne des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) sowie Stellungnahmen des designierten Vorsitzenden des AOK-Bundesverbandes, Jürgen Graalmann, und der Deutschen Krankenhausgesellschaft zur Reduktion von sogenannten Facharztwartezeiten zurückgewiesen. Er forderte die Beteiligten auf, endlich Ross und Reiter zu nennen und die Öffentlichkeit nicht weiter systematisch über die ursächliche Verantwortlichkeit zu täuschen.

„Das perfide Regelwerk immer krasserer Budgetierung und Kontingentierung ärztlicher Leistungen in der ambulanten Medizin ist die Hauptursache für den Mangel an Facharztterminen. Wer dies verschweigt und die eigene Verantwortung negiert, lenkt von der Realität der Rahmenbedingungen des ärztlichen Tuns ab und übersieht, dass es gerade die von der Politik und Teilen der Krankenkassen ausdrücklich gewünschte und durchgesetzte Mengenbegrenzung ist, die zu den nunmehr beklagten Zuständen geführt hat“ führte Metke aus.

Der Vorstandsvorsitzende bezeichnete es als „geradezu grotesk“, dass zum einen eine Diskussion über zuviel Arztinanspruchnahme in der Bundesrepublik stattfindet, gleichzeitig aber noch mehr Arzt gefordert wird. Die planwirtschaftliche Systematik des Systems weise dem Arzt eine limitierte Zahl pro Quartal an Patienten zu, für die er eine weitgehend festgesetzte Vergütung erhalte, so Metke. Allerdings seien ihm keine Fälle bekannt, wo Patienten aufgrund von Wartezeiten die im Gesetzbuch verankerte „ausreichende, zweckmäßige und notwendige Versorgung“ vorenthalten worden wäre. Genauso wie grundsätzlich jeder akute Behandlungsfall einen zeitnahen Termin beim Spezialisten erhalte.

Metke weiter: „Mittel für 1.000 Patienten sind nicht ausreichend für die Versorgung von 1.500 Patienten, ebenso wie man mit einem Hemd nicht gleichzeitig zwei Menschen bekleiden kann. Wer keine Wartezeiten bei Haus- und Fachärzten will, muss nicht nur die Mengenbegrenzung aufheben, sondern gleichzeitig die Bürokratie minimieren, um in Zeiten des Arztmangels Kapazitäten für mehr Zeit für Patienten zu schaffen. Dass dies der richtige Weg ist, wurde in den Selektivverträgen in Baden-Württemberg bereits erfolgreich bewiesen, ein Weg, den wir jederzeit auch gerne im Kollektivsystem beschreiten können.“

Als völlig realitätsfern bezeichnete Metke darüber hinaus Forderungen, das Krankenhaus vermehrt in die ambulante Versorgung einzubeziehen. Wer die höchste Ausgabensteigerung im System zu verantworten habe und nur durch die duale Finanzierung der Länder und oftmals durch zusätzliche Subventionen der Gemeinden funktionsfähig gehalten werde, sollte primär die eigenen Hausaufgaben machen und nicht als subventioniertes System gegen nicht subventionierte Freiberufler antreten. Das Einbeziehen des Krankenhauses in die ambulante Versorgung, zu Lasten der Krankenhausärzte und zum Profit von Trägern und Aktionären von Klinikketten, schade primär den schwerkranken Patienten im Krankenhaus. Metke hält dies für ein Modell zur Kostensteigerung.

„Wer sich dem Pragmatismus im System willentlich entzieht und Ursachen verschweigt, sät nicht, ernten wird er aber dennoch - nämlich irgendwann nicht mehr als seriöser Akteur in der Organisation einer verantwortungsvollen Gesundheitsversorgung kranker Menschen in der Bundesrepublik wahrgenommen zu werden“, so der Vorstandsvorsitzende der KVBW abschließend.