Rahmenbedingungen für Versorgung weiterhin schwierig

KVBW Versorgungsbericht 2012 erschienen

Die Rahmenbedingungen für die ambulante medizinische Versorgung in Baden-Württemberg bleiben weiterhin schwierig. Der Allgemeinarzt und stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW), Dr. Johannes Fechner, sagte am Donnerstag in Stuttgart bei der Vorstellung des Versorgungsberichts 2012 der KVBW: „In weiten Teilen des Landes haben wir nach wie vor eine exzellente medizinische Versorgung. Aber es gibt inzwischen Regionen, in denen es dünn wird, weil Praxen nicht nachbesetzt werden können. Und die Patienten haben Schwierigkeiten bei einem Arzt unterzukommen. In den Ballungsräumen geht das noch ganz gut, in der Peripherie wird es schwieriger.“

Aus Fechners Sicht wird sich dieses Problem noch verschärfen. „Wir rechnen damit, dass wir in den kommenden Jahren rund 500 Hausarztpraxen nicht nachbesetzen können. Hinzu kommen weitere 400 Praxen, die wir aufgrund der neuen Versorgungsanalysen zusätzlich für die Versorgung der Patienten benötigen." Bei den Fachärzten sei die Situation derzeit noch gut, aber auch hier zeigen sich erste Engpässe. "Wir werden bei den Fachärzten vergleichbare Probleme bekommen, nur etwas zeitversetzt.“

Erste Maßnahmen greifen

Der KV-Vize signalisierte jedoch auch vorsichtigen Optimismus: „Zwischen 2007 und 2012 hat sich die Zahl der Hausärzte mit einem Minus von 0,83 Prozent kaum verändert, die der Fachärzte ist mit einem Plus von 2,3 Prozent leicht gestiegen. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass es mehr fachärztliche Gruppen gibt und damit mehr Ärzte, die bislang im ambulanten Bereich nicht aufgetaucht sind.“ Als Beispiele nannte Fechner Strahlentherapeuten und Transfusionsmediziner.

„Die Zahlen zeigen insgesamt, dass der Beruf des niedergelassenen Arztes an Attraktivität nicht eingebüßt hat. Ebenso erfreulich ist, dass sich wieder mehr junge Mediziner für die Weiterbildung im Fach Allgemeinmedizin interessieren. Unsere Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität des Hausarztberufes, die wir gemeinsam mit den Krankenkassen und den Kommunen initiiert haben, scheinen durchaus erfolgreich zu sein.“ Fechner begrüßte es, dass auch in der Politik die Warnzeichen wahrgenommen werden: „Wir freuen uns, dass sich die Landesregierung in der Versorgung engagiert und Niederlassungen in Gebieten mit einer dünnen Versorgungsdecke fördert. Wir ziehen hier gemeinsam an einem Strang.“

Und nicht nur in der Politik auch an den Universitäten ist angekommen, dass der Beruf des Hausarztes gefördert werden muss. „Inzwischen haben alle Fakultäten in Baden-Württemberg einen Lehrstuhl für Allgemeinmedizin oder sind gerade dabei ihn einzurichten. Außerdem muss nun jeder Medizinstudent ein Pflichtpraktikum in einer Allgemeinarztpraxis absolvieren. Da können wir zeigen, wie spannend, interessant und anspruchsvoll die Allgemeinmedizin ist.“ Eine wichtige Rolle spielt für den KV-Vorstand in diesem Zusammenhang die Zusammenarbeit mit der Landeskrankenhausgesellschaft und der Landesärztekammer in der Weiterbildung im Fach Allgemeinmedizin. „Wir kooperieren eng und fördern die Weiterbildung, so dass wir die jungen Mediziner auf ihrem Weg zum Hausarzt besser begleiten können.“ Als "völlig unverständlich" bezeichnete Fechner es jedoch, wenn Abiturienten keinen Studienplatz bekommen, weil sie den Numerus Clausus nicht erfüllen. „Hier sehen wir dringenden Handlungsbedarf, den wir auch seit Jahren anmahnen, leider aber nichts passiert.“

Bedingungen müssen besser werden

Gleichwohl wird dies nach Fechners Aussage die Probleme der Versorgung kaum lösen. „Auch wenn sich wieder mehr junge Mediziner für das Fach Allgemeinmedizin interessieren, reicht das nicht aus, um das heutige Niveau zu halten. Denn unser Problem ist vor allem der Mangel an Arztzeit. Die jungen Mediziner, die heute ins System kommen oder in der Ausbildung sind, stellen andere Ansprüche an ihren Beruf. Dazu gehört etwa der nachvollziehbare Wunsch, Arbeit, Familie und Freizeit besser unter einen Hut zu bringen. Den Arzt, der 60 Stunden in der Woche in seiner Praxis steht, werden wir künftig nicht mehr haben. Das bedeutet: Auch wenn wir eine Praxis nachbesetzen können, werden dort nicht mehr so viel Patienten versorgt werden können. Es steht weniger Arztzeit zur Verfügung.“

Aus Fechners Sicht haben die KV und die weiteren Beteiligten im Gesundheitswesen die Aufgabe, die Strukturen anzubieten, die den Bedürfnissen der jungen Mediziner entsprechen. „Wir wissen, dass heute kooperative Tätigkeitsformen erwünscht sind und dass der ärztliche Nachwuchs verstärkt in ein Angestelltenverhältnis ohne wirtschaftliches Risiko und mit festen Arbeitszeiten strebt. Die Zukunft liegt daher weniger in der klassischen Einzelarztpraxis, als vielmehr in Ärztezentren. Nur hier sind Angestelltenverhältnisse, flexible Arbeitszeiten und kooperative Arbeit möglich. Darauf müssen wir reagieren.“

Der KV-Vize nannte außerdem die Reform des Notfalldienstes als notwendige Voraussetzung für die zukünftige Sicherstellung. „Wir schaffen jetzt eine Organisation, die wesentlich zur Attraktivität des Arztberufes beiträgt, indem wir die Dienstbelastung deutlich reduzieren. Die neue Struktur mit rund 95 Notfallpraxen an Krankenhäusern wird Anfang 2014 stehen.“

Als weiteren Baustein ergänzte er das Projekt regiopraxisBW. „Hier handelt es sich um hausärztlich orientierte Ärztezentren in ländlichen Gebieten. Im Herbst 2012 und im Frühjahr 2013 sind zwei Regiopraxen in Baiersbronn und Bad Schussenried an den Start gegangen. Sie bieten attraktive Arbeitsmöglichkeiten für junge Ärzte und verbessern gleichzeitig die Versorgung vor Ort. Die KVBW hat sich hier sehr eingesetzt und die Eröffnung dieser Praxen finanziell und strukturell gefördert. Sie zeigt damit, dass sie sich aktiv in der Versorgung engagiert.“

Die KV-Spitze denkt in die Zukunft

Fechner formulierte weiteren Handlungsbedarf. „Im Zuge einer älter und immobiler werdenden Bevölkerung müssen wir darüber nachdenken, ob den Ärzten nicht das Recht zur Ausgabe von Arzneimitteln im Notfalldienst gegeben werden soll. Es ergibt keinen Sinn, wenn der Arzt nachts zwar einen Hausbesuch macht, die kranken Patienten sich dann aber doch noch auf den Weg zur nächsten Apotheke machen müssen.“

Auch in der Zusammenarbeit mit den Krankenhäusern sieht Fechner noch Verbesserungsbedarf. „Wir sind in Baden-Württemberg ausgesprochen offen für die Zusammenarbeit mit den Krankenhäusern. In keinem anderen Bundesland sind so viele Krankenhausärzte auch für ambulante Tätigkeiten zugelassen wie bei uns. Gleichzeitig bieten wir heute eine Struktur an, in der viele Patienten ihre Behandlung ambulant durchführen lassen können und daher nicht mehr stationär aufgenommen werden müssen: etwa bei ambulanten Operationen. Dies spart im Gesundheitswesen viel Geld.

Auf der anderen Seite bekommen wir viele Rückmeldungen von Ärzten, die sich beklagen, dass die Krankenhäuser die Patienten zu früh und ohne ausreichendes Entlassmanagement entlassen und daher Aufgaben, die eigentlich vom Krankenhaus im Zuge der Behandlung übernommen werden müssen, auf den ambulanten Bereich verlagert werden. Das Krankenhaus spart damit Geld - zu Lasten des niedergelassenen Arztes. Die Bundesregierung hat dies erkannt und im Versorgungsstrukturgesetz einen entsprechenden Passus aufgenommen. Leider sieht die baden-württembergische Krankenhausgesellschaft keinen Anlass, diese gesetzlichen Vorgaben mit uns gemeinsam umzusetzen.“

Als richtungsweisend schätzt Fechner auch einen Beschluss des Deutschen Ärztetages in Hannover ein. „Endlich ist angekommen, dass wir nicht nur ein Problem mit der Nachbesetzung bei den Haus- sondern auch bei den Fachärzten haben. Der Deutsche Ärztetag hat daher beschlossen, in der Weiterbildung zum Facharzt nach dem Studium auch den Erwerb ambulanter Kompetenzen mit aufzunehmen. Es ist nun wichtig, dass dies so schnell wie möglich umgesetzt wird.“