Ärztliche Leistungen in Apotheken gefährden die Patientensicherheit

KVBW-Vorstand warnt vor einer weiteren Zersplitterung des Gesundheitswesens

Die Pläne der Bundesregierung, ärztliche Leistungen auf Apotheken zu übertragen, werden konkret. Unter dem Wortungetüm „Apothekenversorgungsweiterentwicklungs­gesetz“ hat das Bundesgesundheitsministerium nun einen entsprechenden Gesetzes­entwurf vorgelegt. Der hat es in sich. Wenn es nach dem Willen der Bundesregierung geht, würden die Apotheken Leistungen übernehmen dürfen, die bisher der ärztlichen Tätigkeit zugeordnet sind. Und sie könnten diese Leistungen mit den Krankenkassen abrechnen. Das betrifft bestimmte Präventionsleistungen, aber auch Impfungen.

Die KBV hat gegenüber dem Bund bereits zu den einzelnen Punkten Stellung genommen. Auch der Vorstand der KVBW hat sich öffentlich dazu geäußert. Beide haben deutlich gemacht, dass sie die Pläne ablehnen und keine Verbesserung für die Versorgung erkennen können.

Keine medizinische Leistung ohne medizinische Ausbildung

Das ist wohlbegründet. „Wir können vor einer weiteren Zersplitterung des Gesundheits­wesens nur warnen,“ betonte der KVBW-Vorstandsvorsitzende Dr. Karsten Braun. „Wir schätzen die Arbeit der Apothekerinnen und Apotheker sehr. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zum Gesundheitswesen. Klar ist aber, dass sie keine medizinische Ausbildung haben und damit auch ungeeignet sind, um medizinische Leistungen zu erbringen. Wenn Apotheker medizinische Leistungen anbieten, gefährdet das die Patientensicherheit.“

Nach dem aktuell vorliegenden Gesetzentwurf sollen Apotheken künftig Präventions­leistungen erbringen dürfen, etwa „Messungen zu Risikofaktoren wie Herz-Kreislauf­erkrankungen oder Diabetes“. KV-Vorständin Dr. Doris Reinhardt, selbst viele Jahre lang als Hausärztin tätig, kann darin keinen Sinn erkennen: „Natürlich könnte ein Apotheker den Blutdruck messen oder auch den Zuckergehalt im Blut bestimmen. Aber wofür? Welche Erkenntnis soll daraus gezogen werden? Die Werte müssen medizinisch eingeordnet, es müssen Vorerkrankungen oder laufende Medikationen einbezogen werden. All das liegt in der Apotheke gar nicht vor, dort ist auch nicht die Kompetenz vorhanden, um das zu gewährleisten.“ Gleiches gilt für sie bei Medikations­beratungen. „Der Apotheker weiß nicht, was der Arzt geraten hat und aus welchen Gründen er welche Medikation ausgewählt hat. Das kann auch die ePA nicht leisten. Es würde nur zur Verwirrung der Patientinnen und Patienten beitragen, wenn eine zusätzliche Stelle eingeschaltet wird.“

Tiefer Eingriff in die ärztliche Kompetenz

Klar wendet sich der Vorstand auch dagegen, dass Apotheker künftig wesentlich mehr Schutzimpfungen verabreichen sollen. „Eine Impfung ist nicht nur ein Pieks mit einer Spritze. Es muss vorher abgeklärt werden, ob der richtige Zeitpunkt für die Impfung vorliegt, wie sich die Impfung in das Krankheitsgeschehen des Patienten einpasst, welcher Impfstoff angeraten ist bis hin zur Aufklärung des Patienten. Für all das sind Apotheker nicht ausgebildet – vom Umgang mit einem Notfall, der bei einer Spritze immer wieder mal vorkommt, ganz abgesehen.“ Weiter ist vorgesehen, dass Apotheker verschreibungspflichtige Medikamente eigenständig abgeben dürfen, sowohl bei bekannten Dauertherapien als auch bei „unkomplizierten“ chronischen Erkrankungen. Welche Erkrankungen darunterfallen, müsste der Bund noch festlegen. Hier wird tief in die ärztliche Kompetenz eingegriffen. Aus fachlichen Gründen lehnt der KV-Vorstand diese Regelung daher ab. Unverständlich erscheint ebenfalls, weshalb Ärztinnen und Ärzte bei Impfstoffverordnungen von Regressen bedroht sind, Apothekerinnen und Apotheker hingegen nicht.

Medikamentenausgabe im Bereitschaftsdienst gefordert

Die beiden Vorstände vermissen in dem Gesetzentwurf Möglichkeiten, bisher Apotheken vorbehaltene Leistungen auch auf Ärzte zu übertragen. „Eine echte Erleichterung für Patienten wäre es, wenn Ärztinnen und Ärzte im Bereitschaftsdienst Medikamente ausgeben dürften. Das Apothekennetz dünnt sich in der Nacht und an den Wochenenden und Feiertagen aus. Wenn Patientinnen und Patienten daher in eine Bereitschaftspraxis kommen oder auch ein Hausbesuch absolviert wird, müssen sie oft weite Wege zurücklegen, um zur nächsten Apotheke zu kommen. Wenn Ärzte nur die zehn häufigsten Medikamente im Bereitschaftsdienst ausgeben dürften, würde das die Versorgung erheblich verbessern.“