KVBW kritisiert ePA-Zwang und technische Mängel scharf
Ab dem 1. Oktober 2025 gilt bundesweit die Pflicht zur Nutzung der elektronischen Patientenakte (ePA). Wer als Vertragsarzt oder -psychotherapeut die technischen Voraussetzungen nicht erfüllt, muss laut gesetzlicher Vorgabe ab dem vierten Quartal mit Sanktionen rechnen. Die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) übt massive Kritik an der Umsetzung und warnt vor realitätsfernen Anforderungen an die Praxen.
„Dass der Gesetzgeber uns KVen unter diesen Umständen dazu zwingt, Praxen ab dem Quartal 4/2025 zu sanktionieren, wenn sie nicht ePA-ready sind, ist eine Zumutung. Wir KVen werden mal wieder gezwungen, gegen unsere Mitglieder zu agieren und haben keine Wahl“, sagt Dr. Karsten Braun, Vorstandsvorsitzender der KVBW. Vorgesehen sind zwei Sanktionen: eine einprozentige Honorarkürzung und eine Kürzung der TI-Pauschale.
Jeder vierte Hersteller hat noch nicht geliefert
Nach einer aktuellen Umfrage von KBV und dem Bundesverband Gesundheits-IT (bvitg) haben rund ein Viertel der PVS-Hersteller das ePA-Modul noch nicht ausgeliefert oder erst für das dritte Quartal 2025 angekündigt. Praxen erhalten somit kaum Gelegenheit, die Funktionen in ihren Systemen ausreichend zu testen und in den Praxisalltag zu integrieren. Zudem zeigen Rückmeldungen aus der Ärzteschaft, dass Komfort, Konfigurierbarkeit sowie Automatisierungsgrad der ePA-Funktionen je nach System stark variieren.
Zwischen Ende April und Anfang Juli 2025 kam es zu 21 ePA-relevanten TI-Störungen, darunter eine siebeneinhalbstündige Großstörung bei Arvato. Die ePA war in dieser Zeit über 67 Stunden lang nicht verfügbar – das entspricht einer Verfügbarkeitsrate von nur 96 Prozent. Hochgerechnet auf ein Jahr entspräche dies einer Nichtverfügbarkeit von 348 Stunden, also 14,5 Tagen. Zum Vergleich: Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) verlangt für kritische Infrastrukturen deutlich höhere Werte von 99 bis 99,9 Prozent. „Dass man unter solchen Bedingungen von flächendeckender ePA-Nutzung spricht, ist realitätsfern“, so Braun.
Unzureichende Patientenaufklärung durch die Krankenkassen
Neben technischen Mängeln und Ausfällen sind auch datenschutzrechtliche Fragen offen. Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz prüft aktuell das Opt-out-Verfahren, nachdem Sicherheitslücken bekannt wurden. Auch der Chaos Computer Club (CCC) hatte zuvor mehrfach mögliche Angriffsszenarien aufgezeigt. Zudem kritisiert die KVBW die unzureichende Aufklärung durch die Krankenkassen: Viele Patientinnen und Patienten wissen nichts über ihre neue elektronische Akte, ihr Widerspruchsrecht oder die notwendige App zur Steuerung der Zugriffsrechte. Die gesetzlich vorgeschriebene neutrale Information durch die Krankenkassen erfolgte meist einseitig im Sinne der ePA.
Die KVBW weist darauf hin, dass sie nur prüft, ob Praxen technisch in der Lage sind, ePA-Daten zu übermitteln. Dies erfolgt automatisiert über den Abrechnungsdatensatz. Eine Kontrolle der tatsächlichen Befüllung findet nicht statt. „Wir werden auch künftig niemanden beaufsichtigen, wie er die ePA nutzt. Das ist nicht unsere Aufgabe und auch nicht leistbar“, stellt Dr. Braun klar.