Psychiatrische und psychotherapeutische Komplexversorgung

Schwer psychisch kranke Erwachsene behandeln

Die ambulante psychiatrische und psychotherapeutische Komplexversorgung ist ein Behandlungsprogramm für schwer psychisch kranke Erwachsene. Das Ziel: Eine wohnortnahe berufsgruppenübergreifende Betreuung der Betroffenen soll deren Versorgung verbessern und ihnen den Übergang von der stationären in die ambulante Versorgung erleichtern. Grundlage dafür ist die KSVPsych-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). 

Ihre Teilnahme an der Komplexversorgung

Sie interessieren sich als Facharzt oder Psychotherapeut für die Teilnahme an diesem Programm? Wir haben hier Wissenswertes für Sie zusammengestellt. Haben Sie weitere Fragen? Dann kontaktieren Sie uns (Direktkontakt rechts). 

Die Komplexversorgung basiert auf regionalen Zusammenschlüssen von Fachärzten aus den Bereichen Psychiatrie, Neurologie, Psychosomatik sowie Psychotherapeuten. Diese Netzverbünde arbeiten eng mit psychiatrischen Kliniken sowie qualifizierten Gesundheitsberufen zusammen. Ein Bezugsarzt oder -psychotherapeut leitet die Behandlung und legt die notwendigen Maßnahmen fest. Eine qualifizierte nichtärztliche Fachkraft vereinbart die Termine und unterstützt die Patienten organisatorisch.

Aufbau der Strukturen der Komplexversorgung

Um an der Komplexversorgung teilzunehmen und die darin erbrachten Leistungen abrechnen zu können, ist eine Genehmigung der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) erforderlich. Lesen Sie hier, welche Schritte und Strukturen notwendig sind und wie die Leistungen vergütet werden.  

Der Netzverbund ist ein vertraglicher Zusammenschluss von Fachärzten und Psychotherapeuten zur psychiatrischen Komplexversorgung. Er besteht aus mindestens sechs Mitgliedern folgender Fachgruppen:

  • mindestens zwei Fachärzte für:
    • Psychiatrie und Psychotherapie und/oder 
    • Psychosomatische Medizin und Psychotherapie und/oder
    • Nervenheilkunde oder Neurologie und Psychiatrie
  • mindestens zwei ärztliche und/oder psychologische Psychotherapeuten
  • fakultativ auch Fachärzte für Neurologie

Dem Netzverbund können entweder selbst zugelassene Vertragsärzte/-psychotherapeuten oder bei zugelassenen Leistungserbringern angestellte Ärzte/Psychotherapeuten der o. g. Fachgruppen angehören. 

Mindestens ein fachärztliches Mitglied muss über einen vollen Versorgungsauftrag verfügen. Alle übrigen Mitglieder brauchen mindestens einen halben Versorgungsauftrag. Für angestellte Mitglieder gilt ein entsprechender Beschäftigungsumfang.

Ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) oder eine Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) kann bei Vorhalten der o.g. Anzahl von Fachärzten und Psychotherapeuten einen eigenen Netzverbund bilden.

Der Netzverbund regelt die Erfüllung der Aufgaben nach der KSVPSych-RL und die Organisation in eigener Verantwortung. Hierzu kann ein vertraglicher Zusammenschluss (Netzverbundvertrag) erfolgen. Alternativ kann jedes Mitglied eine einseitige Erklärung über den Beitritt und die Erfüllung der Anforderungen abgeben. Der Netzverbund bzw. die Erklärungen müssen der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg zur Prüfung vorgelegt werden. Ein Muster für eine solche Erklärung wird derzeit erstellt.

Übersicht bestehender Netzverbünde in Baden-Württemberg:

UnterNetzverbünde/Teilnehmer psychiatrische und psychotherapeutische Komplexversorgungveröffentlichen wir die Netzverbünde in Baden-Württemberg.

Jeder Netzverbund benötigt Kooperationen mit folgenden Leistungs­erbringern:

  • mindestens ein nach § 108 SGB zugelassenes Krankenhaus mit psychiatrischen oder psychosomatischen Einrichtungen für Erwachsene 
    • mit Zuständigkeit für die regionale psychiatrische Pflichtversorgung (wenn möglich)
    • mit psychosomatischen Kompetenzen (soll angestrebt werden)
    • mit Berechtigung zur Durchführung qualifizierter Entzugsbehandlungen bei Erwachsenen (bei Behandlung von Patienten mit psychischen Erkrankungen aufgrund psychotroper Substanzen)
  • mindestens ein Leistungserbringer für 
    • Ergotherapie (Zulassung nach § 124 SGB V) oder
    • Soziotherapie (gem. § 132b SGB V) oder
    • psychiatrische häusliche Krankenpflege (gem. § 132 a Abs. 4 SGB V)

Die Kooperation kann vertraglich geregelt werden oder über einseitige Erklärungen der Leistungserbringer erfolgen. Beides muss der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg zur Prüfung vorgelegt werden.

Der Bezugsarzt bzw. der Bezugspsychotherapeut ist zentraler Ansprechpartner des Patienten. Er ist verantwortlich für die Erstellung, dokumentierte Überprüfung und Fortschreibung des Gesamtbehandlungsplans.

Die Bezugsperson kann folgenden Fachgruppen angehören:

  • Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie
  • Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
  • Facharzt für Nervenheilkunde oder Facharzt für Neurologie und Psychiatrie
  • Ärztlicher oder Psychologischer Psychotherapeut.

Folgende nichtärztliche Fachkräfte können die Koordination der Patienten übernehmen:  

  • Soziotherapeuten (mit Zulassung nach § 132b SGB V)
  • Ergotherapeuten (mit Zulassung nach § 124 SGB V)
  • Leistungserbringer der psychiatrischen häuslichen Krankenpflege (mit Vertrag nach § 132a SGB V)

Alternativ können dies auch Fachkräfte folgender Berufsgruppen übernehmen, sofern sie eine fachspezifische Zusatzqualifikation oder eine mindestens zweijährige Berufserfahrung in der Versorgung von Patienten mit psychischen Erkrankungen haben:

  • Medizinische Fachangestellte
  • Sozialarbeiter
  • Sozialpädagogen
  • Pflegefachpersonen
  • Psychologen

Die Zusammenarbeit mit weiteren Leistungserbringern wie z. B. sozialpsychiatrische Dienste, Eingliederungshilfe, Reha-Einrichtungen, Beratungsstellen etc. ist ausdrück­lich erwünscht. 

Genehmigung

Die Teilnahme an der Komplexversorgung (KSVPsych-RL) setzt eine Genehmigung der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) voraus. Der Netzverbund als Ganzes (und nicht jeder einzelne Teilnehmende) stellt deshalb einen Genehmi­gungs­antrag bei der KVBW.

Formulare

Zusammen mit dem Antrag reicht der Netzverbund den Netzverbundvertrag sowie die Kooperationsverträge oder die jeweiligen einseitigen Erklärungen bei der KVBW ein. 

Musterverträge

Gerne stellen wir Ihnen auch Musterverträge zur Verfügung, die Sie dann individuell anpassen können. Nehmen Sie hierzu bitte Kontakt mit uns auf. 

Abrechnung

Erst nach der Genehmigung durch die KVBW ist es möglich, die Leistungen der Komplexversorgung (Abschnitt 37.5 EBM) abzurechnen. 

Hier haben wir für Sie in einer Tabelle die Leistungen und die dazugehörigen Gebührenordnungspositionen sowie die Bewertungen zusammengestellt. 

GOP Leistungen Hinweis Bewertung
(Punkte/Euro)
Leistungs-
berechtigung
37500 Eingangssprechstunde je vollendete 15 Minuten, höchstens viermal im Krankheitsfall 236 Punkte Netzverbundmitglied
37510 Differentialdiagnostische Abklärung je vollendete 15 Minuten, höchstens viermal im Krankheitsfall* 231 Punkte „P-Arzt“ - Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Nervenheilkunde bzw. Neurologie und Psychiatrie
37520 Erstellen eines Gesamtbehandlungsplans einmal im Krankheitsfall 448 Punkte Bezugsarzt / Bezugspsychotherapeut
37525 Zusatzpauschale für Leistungen des Bezugsarztes oder des Bezugspsychotherapeuten einmal im Behandlungsfall 450 Punkte Bezugsarzt / Bezugspsychotherapeut
37530 Koordination der Versorgung durch eine nichtärztliche Person einmal im Behandlungsfall 577 Punkte Bezugsarzt / Bezugspsychotherapeut zur
Weiterleitung an koordinierende Person
37535 Aufsuchen eines Patienten im häuslichen Umfeld durch eine nichtärztliche Person je Sitzung, höchstens dreimal im Behandlungsfall 166 Punkte Bezugsarzt / Bezugspsychotherapeut zur
Weiterleitung an koordinierende Person
37550 Fallbesprechung je vollendete 10 Minuten, höchstens viermal im Behandlungsfall 128 Punkte Netzverbundmitglied
37551 Zuschlag zur GOP 37550 bei Teilnahme eines oder mehrerer nichtärztlicher/ nichtpsychotherapeutischer Teilnehmer je vollendete 10 Minuten, höchstens viermal im Behandlungsfall 128 Punkte Bezugsarzt / Bezugspsychotherapeut zur
Weiterleitung an nichtärztliche/nichtpsychotherap.Teilnehmer
37570 Zusatzpauschale für zusätzliche Organisations- und Managementaufgaben sowie technische Aufwände im Rahmen eines Netzverbundes einmal im Behandlungsfall 200 Punkte Bezugsarzt / Bezugspsychotherapeut

* Kann ausschließlich von Fachärztinnen und Fachärzten für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Nervenheilkunde sowie Neurologie und Psychiatrie berechnet werden.

Ablauf der Patientenversorgung

Welche Patienten an der psychiatrischen und psychotherapeutischen Komplex­versorgung teilnehmen können und wie die Versorgung abläuft, lesen Sie hier. 

Folgende Personen können an der koordinierten und strukturierten Versorgung teilnehmen:

  • ab vollendetem 18. Lebensjahr 
  • mit psychischer Erkrankung nach Kapitel V des ICD-10-GM (F10 bis F99)
  • bei GAF-Wert höchstens 50
  • mindestens zwei Maßnahmen der Krankenbehandlung pro Quartal durch unterschiedliche Leistungserbringer

Der Zugang zur Versorgung erfolgt durch Überweisung oder Empfehlung. Der direkte Zugang über ein Netzverbundmitglied ist ebenfalls möglich.

Die Eingangssprechstunde stellt den Erstkontakt des Patienten zum Netzverbund her. Dort wird geprüft, ob der Patient die Voraussetzungen für die Teilnahme an der Komplexversorgung erfüllt. Die Eingangssprechstunde erfolgt zeitnah nach der Überweisung oder Empfehlung, möglichst innerhalb von sieben Werktagen

Zeitnah nach der Eingangssprechstunde, i. d. R. ebenfalls innerhalb von sieben Werktagen, beginnt die differentialdiagnostische Abklärung. 
Hierzu berechtigt sind: 

  • Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie sowie 
  • Fachärzte für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie oder 
  • Fachärzte für Nervenheilkunde bzw. Neurologie und Psychiatrie. 

Diese müssen dem Netzverbund angehören.

Voraussetzung für die Teilnahme an der Komplexversorgung ist die informierte Einwilligung des Patienten. Hierzu besprechen Sie als Bezugsarzt oder Bezugspsychotherapeut die vorgesehene Behandlung mit dem Patienten und informieren ihn über die beteiligten Leistungs­erbringer und die vorgesehenen Maßnahmen. 

Der Patient (ggf. sein gesetzlicher Vertreter) willigt schriftlich in die Behandlung ein. Insbesondere erteilt er sein Einverständnis in den Austausch von persönlichen Daten und Behandlungsdaten zwischen den einzelnen Leistungserbringern. Gerne senden wir Ihnen eine Mustervorlage einer Einverständniserklärung zu. Nehmen Sie dafür bitte Kontakt mit uns auf (siehe Direktkontakt). 

Der Bezugsarzt bzw. der Bezugspsychotherapeut erstellt in Abstimmung mit dem Patienten einen individuellen Gesamtbehandlungsplan. Dieser beinhaltet: 

  • die Therapieziele, 
  • die erforderlichen Maßnahmen sowie 
  • den Bedarf an Heilmitteln, Soziotherapie und/oder psychiatrischer häuslicher Krankenpflege, 
  • den Kriseninterventionsplan, 
  • die namentliche Benennung der koordinierenden Person

Inwieweit die Therapieziele erreicht werden oder gegebenenfalls eine Anpassung des Gesamtbehandlungsplans notwendig ist, wird mindestens zweimal im Quartal in Fallbesprechungen mit allen an der Behandlung Beteiligten überprüft.

Die koordinierende Fachkraft übernimmt im Wesentlichen folgende Aufgaben:

  • Nachhaltung der Umsetzung des Gesamtbehandlungsplans, z. B. Vereinbarung von Terminen
  • Vernetzung mit den beteiligten Leistungserbringern
  • persönlicher und telefonischer Kontakt mit dem Patienten, ggf. Aufsuchen im häuslichen Umfeld 
  • Gespräche mit Angehörigen und Bezugspersonen (sofern erforderlich)
  • Kontaktaufnahme und Austausch mit weiteren Leistungserbringern

Der Netzverbund teilt seine Angebote und Erreichbarkeit der KVBW mit. Mit Antragstellung wird das Einverständnis erteilt, dass diese Informationen auf der Internetseite der KVBW veröffentlicht wird. Dies dient der Information der Patienten sowie der Krankenhäuser. 

Der Bezugsarzt bzw. der Bezugspsychotherapeut zeigt den Beginn der Versorgung eines Patienten der zuständigen Krankenkasse an. 

Letzte Aktualisierung: 11.12.2025