BSG-Urteil führt zu Einschränkungen im Ärztlichen Bereitschaftsdienst

Wegweiserschild zum Eingang einer KVBW-Notfallpraxis
Foto: Ill

Das Bundessozialgericht (BSG) hat heute entschieden, dass ein Zahnarzt, der als sogenannter „Pool-Arzt“ im Notfalldienst der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg tätig ist, aufgrund dieser Beschäftigung der Sozialversicherungspflicht unterliegt. Diese Entscheidung hat auch weitreichende Auswirkungen auf den ärztlichen Bereitschaftsdienst der KVBW. Die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) reagiert darauf mit einem ab sofort wirksamen Notfallmaßnahmenplan.

Bisher übernahmen rund 3.000 Poolärzte freiwillig Dienste im ärztlichen Bereitschaftsdienst. Sie spielen für die Versorgungsstruktur eine wesentliche Rolle. Etwa 40 Prozent aller Dienste in den 115 Notfallpraxen und für die medizinisch erforderlichen dringenden Hausbesuche wurden bis heute von den Poolärzten geleistet. 

Laut Pressemitteilung des BSG führt allein die Teilnahme am vertragszahnärztlichen Notdienst nicht automatisch zur Annahme einer selbstständigen Tätigkeit. Wegen der Eingliederung in die von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung organisierten Abläufe war der klagende Zahnarzt abhängig beschäftigt. Auf die organisatorischen Abläufe hatte er keinen entscheidenden, erst recht keinen unternehmerischen Einfluss. Er fand eine von dritter Seite organisierte Struktur vor, in der er sich fremdbestimmt einfügte. Allein die freie und eigenverantwortliche zahnärztliche Tätigkeit, rechtfertigt keine Befreiung von der Sozialversicherungspflicht. 

Da der Bereitschaftsdienst der KV Baden-Württemberg in seiner Organisationsstruktur wesentliche Ähnlichkeiten mit dem zahnärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg aufweist, ist die Entscheidung übertragbar. Das bestehende System des ärztlichen Bereitschaftsdienstes in Baden-Württemberg kann daher in der bisherigen Form nicht weitergeführt werden.  

„Das Urteil zwingt uns, eine Notbremse zu ziehen und sofortige Maßnahmen zu ergreifen. Das heißt, dass wir heute mit sofortiger Wirkung die Tätigkeit der Poolärztinnen und Poolärzte im ärztlichen Bereitschaftsdienst beenden“, erklären die KVBW-Vorstände, Dr. Karsten Braun und Dr. Doris Reinhardt. „Wir waren auf Bundes- und Landesebene aktiv, um eine politische Lösung herbeizuführen; leider bislang ohne Erfolg“.

Der Wegfall der Poolärztinnen und Poolärzte kann nicht auf die Schnelle kompensiert werden, sodass in der Zeit der „Notbremse“ die Zahl der Notfallpraxen und Fahrdienste reduziert werden muss. „Selbstverständlich stellen wir den Ärztlichen Bereitschaftsdienst als KVBW weiterhin sicher. Den bisherigen Umfang des ärztlichen Bereitschaftsdienstes können wir allerdings allein mit unseren niedergelassenen Vertragsärztinnen und -ärzten nicht stemmen, denn parallel müssen wir auch die Regelversorgung sicherstellen. Das ist schwierig genug, denn aktuell sind rund 1000 Arztsitze in Baden-Württemberg nicht besetzt“, beschreibt Dr. Doris Reinhardt die angespannte Lage. Die KVBW muss daher vorübergehend die Struktur im ärztlichen Bereitschaftsdienst einschränken.

Das ist das Konzept „Notbremse“

Der Notfallplan der KVBW gilt von Mittwoch, 25. Oktober 2023, an und umfasst folgende Maßnahmen:  

Schließung von acht Notfallpraxen.
Das betrifft die Notfallpraxen in Geislingen, Schorndorf, Möckmühl, Buchen, Kirrlach, Künzelsau, Bad Säckingen und Schopfheim. 

Teilschließung von Notfallpraxen unter der Woche
In folgenden Orten haben die Notfallpraxen nicht mehr oder nur noch teilweise unter der Woche, sondern nur noch an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen geöffnet: Mühlacker, Bietigheim-Bissingen, Rastatt, Singen, Herrenberg und Villingen-Schwenningen. 

Reduzierung der Öffnungszeiten in den Notfallpraxen
In vielen weiteren Notfallpraxen werden die Öffnungszeiten künftig reduziert; sie öffnen zum Beispiel später oder schließen früher. 

Keine Veränderungen gibt es bei den gebietsärztlich organisierten Diensten wie etwa dem augenärztlichen und HNO-Notfalldienst. „Auch die Kindernotfallpraxen bleiben weiterhin bestehen, hier gibt es keine Schließungen und nur marginal reduzierte Öffnungszeiten“, betont Dr. Doris Reinhardt. Die Auswahl der Notfallpraxen, die geschlossen werden, erfolgte nach verschiedenen Kriterien. Dazu zählen die Ausweichmöglichkeit auf andere nahegelegene Notfallpraxen sowie die Inanspruchnahme. „Wir haben darauf geachtet, dass die Patientinnen und Patienten weiterhin gut versorgt sind und die Möglichkeit haben, innerhalb vertretbarer Zeit benachbarte Notfallpraxen zu erreichen“, so Reinhardt.  

„Wir appellieren an die Patientinnen und Patienten sich auf die neuen Öffnungszeiten einzustellen, wenn sie den Bereitschaftsdienst in Anspruch nehmen müssen. Die Notaufnahmen in den Kliniken sind für schwer erkrankte Notfallpatienten zuständig“, ergänzt Braun. 

Auch außerhalb der Öffnungszeiten der Notfallpraxen ist die Erreichbarkeit des Bereitschaftsdienstes über die Rufnummer 116117 gewährleistet.

Die KVBW-Vorstände weisen darauf hin, dass es sich bei dem vorgelegten Notfallplan um eine Übergangslösung handelt. Wie die Struktur des ärztlichen Bereitschaftsdienstes in Baden-Württemberg künftig aussehen wird, ist noch offen. „Das werden wir erst entscheiden, wenn uns die schriftliche Urteilsbegründung vorliegt und wir alle Details kennen. Wir bedauern sehr, zu dieser Maßnahme gezwungen zu werden und hoffen nun auf eine praktikable Lösung durch die Politik.“ 

Eine Übersicht über alle Notfallpraxen mit den aktualisierten Öffnungszeiten ist auf der KVBW-Website unter www.kvbawue.de/notfallpraxen einsehbar.  

Der ärztliche Bereitschaftsdienst ist nicht zu verwechseln mit dem Rettungsdienst, der in lebensbedrohlichen Fällen Hilfe leistet. Bei Notfällen, wie Herzinfarkt, Schlaganfall und schweren Unfällen, ist der Rettungsdienst unter der Notrufnummer 112 zu alarmieren.