Vierpunkteprogramm statt Chaostheorie

Das war die 17. Vertreterversammlung der KVBW

Bernd Greve
Bernd Greve, Dezernent der KBV für IT, erläuterte, Funktion und Sicherheitskonzept des KV-SafeNet*.
Dr. Birgit Annen
Blumen zum Abschied für Dr. Birgit Annen, vormals Clever.
Dr. Birgit Annen und Dr. Frank-Dieter Braun
Der Vorsitzende der KVBW-Vertreterversammlung, Dr. Frank-Dieter Braun, verabschiedetete seine Amtsvorgängerin, die ihr Delegiertenmandat auf eigenen Wunsch niedergelegt hat.

Es ist entschieden: Der EBM muss auch von der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg vollumfänglich umgesetzt werden. Als Antwort auf die aktuellen Probleme und Fragestellungen der Sicherstellung der ambulanten medizinischen Versorgung präsentierte der Vorstand auf der 17. Vertreterversammlung ein zukunftsfähiges Alternativmodell.

Keine Chance gegen den neuen EBM

Seit dem 1. Oktober gilt der neue EBM, dessen Auswirkungen insbesondere auf die Hausärzte der Grundversorgung erst mit der ersten Quartalsabrechnung genau zu beziffern sein werden. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) rechnet damit, dass bundesweit knapp 14.000 Praxen einen Honorarverlust unklaren Umfanges erleiden werden. 14 Tage nach Inkrafttreten dieser EBM-Version ist die KBV im Bewertungsausschuss mit zahlreichen Änderungswünschen an die Krankenkassen herangetreten. Der Vorsitzende der KVBW-Vertreterversammlung, Dr. Frank-Dieter Braun, brachte es auf den Punkt: „Eine solche Selbstverwaltung haben die Hausärztinnen und Hausärzte in Deutschland nicht verdient.“

Als erklärter Gegner des neuen Hausarzt-EBM ließ die KVBW innerhalb ihrer beschränkten Möglichkeiten nichts unversucht. Ein Aussetzen des neuen EBM wurde rechtlich geprüft ebenso wie ein Gutachten beauftragt wurde mit der Fragestellung, ob die Stimmgewichtung in der Vertreterversammlung der KBV rechtens sei. Geschäftsführerin Susanne Lilie fasste die vorliegenden Rechtsgutachten zusammen: "Wir sind als KV verpflichtet, den EBM als solchen umzusetzen. Über die Mechanismen der Honorarverteilung haben wir nachhaltige Möglichkeiten eventuelle Verwerfungen zu verhindern". Der Vorstandsvorsitzende Dr. Norbert Metke versicherte: „Wir werden ein Chaos analog zu 2008/2009 verhindern. Im Gegensatz zu damals sind wir vorbereitet und haben auch die gesetzlichen Möglichkeiten ─ die Hausärzte in Baden-Württemberg müssen keine Angst haben.“

Paragraph 115a ─ prä- und poststationäre Leistungen des Arztes für und zu Lasten des Krankenhauses

Rund um die strittige Frage, wer und zu wessen Lasten und bei welchen oder ob bei allen stationären Patienten die prä- und poststationäre Versorgung zu erfolgen habe, hat die KVBW die Krankenkassenverbände des Landes gebeten, hier vermittelnd einzugreifen. Noch in diesem Jahr soll es zu einer Einigung kommen, die auch für den Patienten zufriedenstellend ist. Ein Antrag von Johannes Glaser, solange Rechtsunsicherheit herrscht, prä- und poststationäre Leistungen unter bestimmten Bedingungen nur im Auftrag und zu Lasten des Krankenhauses zu erbringen, wird einstimmig angenommen. In der Begründung heißt es, jede Handlungsalternative wäre rechtswidrig, kostenlos Patienten behandeln genauso wie eine bereits den Krankenhäusern pauschal vergütete Leistung ein weiteres Mal abzurechnen.

Alternative kollektive Versorgung Baden-Württemberg (AKVBW)

Die Vorsitzenden Metke und Fechner nutzten die Sommerpause, um aus ärztlicher Sicht Antworten auf die aktuellen Fragen zur Sicherstellung der ambulanten medizinischen Versorgung in der Zukunft zu geben. Modellhaft haben sie eine Alternative kollektive Versorgung Baden-Württemberg (AKVBW) entwickelt. Metke: „Vor dem Hintergrund der Überalterung der Bevölkerung bei gleichzeitig wachsender Zahl chronisch kranker und multimorbider Patienten und ärztlichem Nachwuchsmangel, kann die Versorgung in Zukunft nur sichergestellt werden, wenn wir die Strukturen effizienter machen.“ Entstanden ist ein Vierpunkte-Programm zum wirtschaftlichen Einsatz der knappen Ressource Arztzeit, das bereits mit den Kassen diskutiert wird. Kernpunkt des Programms ist eine differenzierte Patientenkoordination. Der Patient soll weiterhin freien Zugang zu Haus- und Fachärzten haben. Es sollen aber Änderungen in die Vergütungssystematik eingeführt werden, die den Grad der Kooperation zwischen Haus- und Fachärzten vermehrt berücksichtigen. Außerdem soll der Arzt von Bürokratie entlastet werden. Ganz oben steht hier die Forderung, dass das Entlassmanagement als Aufgabe des Krankenhauses endlich wahrgenommen wird. Weiter soll die Entlastung der Ärzte von delegierfähigen Aufgaben, beispielsweise durch VERAH, auch im Kollektivsystem implantiert werden. Wo nötig, soll zukünftig auch die Förderung der klassischen Niederlassung sowie alternative und neue Formen der Anstellung geprüft werden.

Großprojekt Notfalldienst-Reform schreitet voran

Mittlerweile haben zehn neu gründete Notfallpraxen ihren Betrieb aufgenommen, berichtete Dr. Fechner, mit Ende des ersten Quartals 2014 sollen die meisten allgemeinen Notfallpraxen am Start sein. Für nicht von der KV betriebene Notfallpraxen wurden betriebswirtschaftlich fundiert Fördersummen ermittelt, die sich in neuen Förderrichtlinien widerspiegeln. Nach mehrheitlicher Verabschiedung der "Förderrichtlinien von nicht von der KVBW betriebenen Notfallpraxen" steht dem weiteren Betrieb dieser Notfallpraxen nichts mehr im Wege. Damit hat das Projekt Notfalldienstreform eine weitere Hürde genommen.

2015 droht das Ende der Grid-CardSeit

2013 sind die Niedergelassenen in Baden-Württemberg gesetzlich zur Online-Abrechnung verpflichtet. Als Übergangslösung wurden an allen Standorten der KVBW für die Mitglieder, die nach wie vor nicht leitungsgebunden abrechnen, als Zugangsalternative zum Mitgliederportal KV-Terminals eingerichtet. Um online über das Mitgliederportal abrechnen zu können gibt es aktuell zwei Zugangsvarianten: KV-SafeNet*, die Anbindung über das sichere Netz der KVen und alternativ KV-Ident, eine zusätzliche Authentifizierung per Grid-Card bei Portalzugriffen übers Internet. Auf bundesweiten Beschluss hin droht KV-Ident als WebNet-Zugang Mitte 2015 das Aus. WebNet bietet keine Zugriffe ins sichere Netz der KVen, in dem KV-Online-Anwendungen bald ausschließlich bereit stehen sollen, lautet die Begründung. Bliebe als Zugang zum Mitgliederportal nur noch der Königsweg, das KV-SafeNet*.Bernd Greve, Dezernent der KBV für IT, erläuterte, warum Datensicherheit im Praxisnetz ohne professionellen Schutz nicht mehr zu leisten ist und was KV-SafeNet* bietet.

Im KV-SafeNet* wird ein nicht manipulierbarer Router, eine Art Blackbox, zwischen den Telefonanschluss und den Praxisrechner (beziehungsweise das Praxisnetzwerk) geschaltet. Der Router baut einen "sicheren Tunnel", ein sogenanntes virtuelles privates Netzwerk (VPN), auf. Das VPN schottet die Verbindung zum Internet ab und gewährleistet innerhalb eines Subnetzes einen sicheren Datenaustausch mit dem Rechenzentrum der Kassenärztlichen Vereinigung, dem fest definierten Tunnel-Endpunkt. Der User kann je nach Anforderung zwischen verschiedenen Modulen und Tarifen wählen. "Hier ist noch nicht das letzte Wort gesprochen", kommentierte ein Delegierter. Aktuell setzen 14.500 Mitglieder der KVBW die Gridcard für die Online-Abrechnung ein und seien mit der einfachen und günstigen Lösung sehr zufrieden. Dr. Susanne Blessings Antrag, dass KV-SafeNet* aus Kosten- und auch aus Sicherheitsbedenken freiwillig bleiben müsse, fand im Gremium geschlossene Zustimmung. Auch die Übergangslösung, die Abrechnung alternativ an Terminals an den KV-Standorten mittels Datenträger einzureichen, sei zu erhalten.

Verabschiedung der ehemaligen Vorsitzenden der Vertreterversammlung

Reichlich Blumen gab es in der Vertreterversammlung vom 23. Oktober. Dr. Birgit Annen, vormals Clever, wurde auf eigenen Wunsch als Delegierte verabschiedet, da ihr Lebensmittelpunkt seit kurzem in der Schweiz liegt. Schon zu Zeiten der KV Südbaden war Dr. Birgit Clever in der Ärztepolitik engagiert. 2005 wurde Frau Clever zur Vorsitzenden der Vertreterversammlung der zur KVBW fusionierten KVen Südbaden, Nordbaden, Südwürttemberg und Nordwürttemberg. „Ich habe Sie oft bewundert, wie diplomatisch Sie die schwierigen Vertreterversammlungen der ersten Legislaturperiode gemeistert haben“, sagte KV-Vorstand Dr. Johannes Fechner. Das Abschiedsgeschenk, ein mit Imageartikeln der KVBW gefüllter Rucksack, enthielt in Anspielung auf den neuen Wohnort alles, was eine Gipfelstürmerin so braucht.

* Hinweis: KV-SafeNet steht mit der Firma SafeNet, Inc., USA, in keiner unternehmerischen oder vertraglichen Verbindung.