Gut betreute Aids-Patienten können alt werden
Insgesamt 18 Arztpraxen landesweit dürfen sich HIV-Schwerpunktpraxis nennen. Dahinter verbirgt sich ein qualitätsgesichertes Zertifikat.
Die ärztliche Betreuung und Behandlung von HIV-infizierten beziehungsweise an Aids erkrankten Patienten hat in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht. „Modernste antiretrovirale Therapien verlängern heute die Lebenserwartung der HIV-/Aids-Patienten deutlich. Das hat auch in den Arztpraxen zu einer Erweiterung des Behandlungsspektrums geführt. Darüber hinaus sind neue Therapien für altersbedingte Begleiterkrankungen hinzugekommen. Nebenwirkungen von Kombinationstherapien können wir durch regelmäßige Kontrollen und entsprechende Anpassung der Zusammenstellung der Kombinationen minimieren“, erläutert Dr. Johannes Fechner, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KVBW. Fechner weiter: „HIV-Patienten, die sich an ihren Behandlungsplan halten, haben heute eine normale Lebenserwartung.“
Die Betreuung von HIV-/Aids-Patienten erfordert von den behandelnden Ärzten neben spezialisiertem medizinischem Wissen auch Überzeugungskraft und pädagogisches Geschick. „Als Arzt muss ich den Patienten immer wieder zur Einnahme der Medikamente anleiten und davon überzeugen, wie wichtig regelmäßige Kontrolltermine sind, sonst ist der Behandlungserfolg gefährdet. Wenn das Medikament nicht vorschriftsmäßig eingenommen wird, entwickelt das Virus Resistenzen, die kompliziertere Folgetherapien nach sich ziehen, wovon die Patienten oftmals überfordert sind“, berichtet Dr. Jürgen Brust von der Mannheimer HIV-Praxis. Gemeinsam mit drei Kollegen betreut der Infektiologe mit Fachgebiet Innere Medizin rund 1000 Aids-Patienten. „Von diesen Patienten sterben im Jahr zwischen drei und vier, aber nicht unbedingt an Aids, sondern auch an den üblichen Todesursachen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall.“ Sorge bereitet Dr. Brust, dass trotz großflächigen Aufklärungskampagnen die Zahl der Neuinfizierten steigt: „Es drängt sich der Verdacht auf, dass die guten Behandlungsmöglichkeiten dazu führen, wieder sorgloser mit der einstmals tödlichen Bedrohung umzugehen. Da hilft nur noch mehr, aber vor allem gezieltere Aufklärung.“
Seit Juli 2009 wacht eine Qualitätssicherungsvereinbarung über die spezialisierte Versorgung von HIV-Patienten. Insgesamt 34 Vertragsärzte haben in Baden-Württemberg aktuell die Genehmigung für die Behandlung von HIV-Infizierten/Aids-Erkrankten. Diese Ärzte verpflichten sich zur regelmäßigen Teilnahme an HIV-/Aids-spezifischen interdisziplinären Qualitätszirkeln. Da sich die Therapien rasant weiterentwickeln, bilden sie sich zudem laufend weiter, insbesondere über den neuesten Stand der Forschung der antiretroviralen Therapie und über aktuelle evidenzbasierte Leitlinien. Auch das Praxisteam einer HIV-Praxis muss regelmäßig geschult werden. Bekanntermaßen ist Qualität von Routine abhängig. Deshalb müssen HIV-Ärzte nachweislich im Jahr durchschnittlich mindestens 25 HIV-/Aids-Patienten pro Quartal selbstständig betreuen.