Digitalisierung belastet Praxen zusätzlich

Elektronische AU ist Schwerpunktthema des aktuellen Bürokratieindex

Die aktuell verfügbaren digitalen Anwendungen in den Praxen führen zu einer höheren Arbeitsbelastung, da sie die Praxen nicht wie beabsichtigt entlasten, sondern im Gegenteil noch zusätzlich belasten. Das ergibt sich aus dem aktuell erschienenen Bürokratieindex (BIX) 2022 für die vertragsärztliche Versorgung. Schwerpunktthema des aktuellen BIX ist die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU).

Hoher Zusatzaufwand durch die elektronische AU

Allein die eAU führt zu 1,25 Millionen zusätzlichen Arbeitsstunden pro Jahr in den vertragsärztlichen Praxen, haben die Untersuchungen ergeben. Gründe für die Zusatzbelastung sind die lange Dauer des elektronischen Signiervorgangs sowie der Aufwand für den Nachversand der papiergebundenen Ersatzbescheinigung bei Fehlern des digitalen Versands. Für den Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) stellt das eine völlig inakzeptable Situation dar. „Das verdeutlicht exemplarisch das endgültige Scheitern der derzeitigen Digitalisierungsstrategie von gematik und Bundesgesundheitsministerium“, sagte KVBW-Vorstandschef Dr. Norbert Metke am Freitag in Stuttgart: „Es ist ein Armutszeugnis, dass die Anwendungen nicht so gestaltet sind, dass sie die Praxen entlasten, sondern eine zusätzliche Belastung darstellen. Angesichts des Ärztemangels, der Probleme, die wir in der Sicherstellung der Versorgung haben und des Mangels an qualifiziertem Fachpersonal in den Praxen, können wir nur den Kopf schütteln über dieses Maß an Ignoranz, das die Verantwortlichen an den Tag legen.“

Fehlender Nutzen geht auf Kosten der Patientenversorgung

Sein Kollege Dr. Johannes Fechner ergänzte: „Wir brauchen dringend digitale Anwendungen in den Praxen. Es ist kaum zu glauben, dass Deutschland zwar als Hochtechnologieland gilt, wir im Gesundheitswesen aber anderen Nationen weit hinterherhinken. Allerdings betreiben wir Digitalisierung nicht um der Digitalisierung willen. Digitalisierung muss einen Nutzen stiften. Und der Nutzen darf nicht auf Kosten der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte oder des Praxispersonals gehen. Täglich suchen Millionen Patientinnen und Patienten die Praxen auf. Da müssen die Prozesse und die Anwendungen funktionieren. Jede Minute, die für die Technik aufgewendet werden muss, geht zu Lasten der Patientenversorgung.“

In der Untersuchung, die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Fachhochschule des Mittelstandes durchgeführt wurde, wurde der Zeitaufwand erhoben, der bisher für eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung benötigt wurde und mit der eAU verglichen. Vor allem der Aufwand rund um das Signieren, das Versenden und Ausdrucken sowie die Fehlerbehebung erfordern einen hohen zusätzlichen Aufwand. Hinzu kommt, so die Untersuchung, dass währenddessen keine anderen Programme nutzbar sind, was zusätzlich zu einer Belastung für die Praxen führt.