Verkennt die KBV den Praxisalltag?
Der neue Hausarzt-EBM stand im Mittelpunkt der Vertreterversammlung vom 24. April. Regina Feldmann, stellvertretende Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), verteidigte die Reformpläne gegen die Kritik aus Baden-Württemberg.
Verkennt die KBV den Praxisalltag?
EBM-Reformen werden in Baden-Württemberg mit Skepsis aufgenommen, hatte doch die letzte EBM-Reform 2008 zu großen Verwerfungen innerhalb und zwischen den Fachgruppen geführt. Folgerichtig stand der neue Hausarzt-EBM im Mittelpunkt der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg. Bereits in seiner Begrüßungsrede wies VV-Vorsitzender Dr. Frank-Dieter Braun darauf hin, dass die Bundesdelegiertenversammlung des Deutschen Hausärzteverbandes die Vorschläge der KBV für einen neuen Hausarzt-EBM abgelehnt hat. Intensiv konnten die Delegierten das Thema mit der stv. Vorsitzenden der KBV, Regina Feldmann, diskutieren. Sie verwies auf den gesetzlichen Auftrag, den EBM zu reformieren und dabei die Pauschalierung deutlich zu reduzieren. Gleichzeitig sei im vergangenen Jahr mit den Krankenkassen eine Erhöhung der Gesamtvergütung ausgehandelt worden, die für die Hausärzte bundesweit rund 125 Mio. Euro zusätzliche Mittel bedeute. Diese Mittel sollen aber nicht gleichmäßig auf alle Praxen verteilt, sondern geriatrische, palliativ-medizinische und sozialpädiatrische Leistungen strukturell fördern. Im Rahmen der EBM-Reform sollen ferner - ohne zusätzliche Geldmittel - mehr Einzelleistungen eingeführt werden. Auch die Versichertenpauschale soll reformiert werden: Technische und Gesprächs-Leistungen sollen stärker nach Alter gestaffelt werden.
Frau Feldmann hatte erwartungsgemäß keinen leichten Stand im Kreuzfeuer der Delegierten der KVBW. In einer emotionalen aber sachlich geführten Debatte musste sie sich vorwerfen lassen, einen falschen Weg zu gehen. „Wegen ein paar Euro Vergütung zusätzlich den EBM grundlegend zu ändern, steht in keinem Verhältnis. Die Kosten für die Umstellung in den Praxen werden wesentlich höher sein als der Nutzen durch die höhere Vergütung“, wurde argumentiert. Oder: „In einem budgetierten System Einzelleistungen zu fördern, ist paradox.“ Erbittert wehrten sich die baden-württembergischen Ärzteverteter gegen die Aussicht, die neuen Ziffern nur über zeitaufwändige neue Qualifikationen abrechnen zu können. Das sei Zeit, die für die Patienten fehle. Regina Feldmann verteidigte die Reform als notwendig, um die hausärztlichen Leistungen im EBM besser abzubilden. Die Gastgeber indessen wiederholten ihre Forderung nach festen Preisen - der geplante EBM sei nicht mehr als eine erneute Umverteilung zwischen den Arztpraxen. Mit der Unterscheidung in atypische und typische Hausärzte spalte er zudem die Gruppe.
Empörung über den GKV-Spitzenverband
Neben dem Hausarzt-EBM spielte die Diskussion um Korruption in der Ärzteschaft eine wichtige Rolle in der Vertreterversammlung. KVBW-Chef Dr. Norbert Metke warf dem GKV-Spitzenverband vor, die Bevölkerung zur Denunziation aufzurufen. Wenige Tage zuvor war bekannt geworden, dass der GKV-Spitzenverband auf seiner Homepage ein Formular eingestellt hat, mit dem Patienten unter Angabe von "Tatort", "Tatzeit", und "Tatverdächtigter" anonym Ärzte wegen "Fehlverhalten im Gesundheitssystem" anzeigen können. Metke bedauerte vor allem, dass der GKV-Spitzenverband seine Ressourcen bevorzugt zur Gängelung der Ärzte als für die Verbesserung der Versorgung einsetze.
Bedarfsplanung
Die neue Bedarfsplanung stand im Mittelpunkt des Vortrages von KVBW-Vize Dr. Johannes Fechner. Ausgelöst durch das Versorgungsstrukturgesetz werden die Planungsbezirke für die Hausärzte kleiner. Aus den bislang 44 Planungsbezirken der Stadt- und Landkreise werden künftig 101. Die Verhältniszahlen werden neu berechnet und um einen Demografiefaktor ergänzt. Dadurch werden in Baden-Württemberg insgesamt 400 neue Hausarztsitze ausgewiesen. Fechner wies jedoch darauf hin, dass Ärzte fehlen, um die hinzugewonnenen Arztsitze auch besetzen zu können.
Wegfall der PKV
In ihrem Vortrag erläuterte Geschäftsführerin Susanne Lilie die Auswirkungen eines Wegfalls der Privaten Krankenversicherung (PKV), wie sie von SPD, Grünen und Linkspartei gefordert wird. Die Techniker-Krankenkasse hat hierzu eine Studie veröffentlicht, an der u.a. Prof. Dr. Jürgen Wasem (Unparteiischer Vorsitzender des Erweiterten Bewertungsausschusses) mitgewirkt hat. Je nach Modell der Umsetzung würde ein bundesweiter Kompensationsbedarf zwischen drei und sechs Milliarden Euro für die niedergelassenen Ärzte entstehen. Die Studie untersuchte verschiedene Mechanismen für die Verteilung zwischen den KVen, die für Baden-Württemberg erhebliche Auswirkungen hätten. Der Kompensationsbetrag differiert um mehr als 100 Mio. Euro. Unabhängig davon ist mit großen Umverteilungen zwischen und innerhalb der Arztgruppen zu rechnen, ausgelöst durch den unterschiedlich hohen Anteil an Privatpatienten.