Für das Gespräch und gegen den Formalismus: mehr Arzt – weniger Bürokratie

Arzt-Patientenverhältnis nicht weiter verrechtlichen

Die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) begrüßt grundsätzlich das Patientenrechtegesetz, sieht aber in Teilen einen deutlichen Nachbesserungsbedarf.

Anlässlich der heutigen Sitzung des Bundeskabinetts, bei der das Gesetz beschlossen wurde, sagte der Vorstandsvorsitzende der KVBW, Dr. Norbert Metke: „Das Patientenrechtegesetz in seiner vorliegenden Form enthält eine Reihe von sinnvollen Regelungen, die auf der bestehenden Rechtsprechung basieren und nun in Gesetzesform gegossen werden. In einigen Bereichen schafft das Gesetz aber neue erhebliche Bürokratie, die für Arztpraxen keine Verbesserung der Situation mit sich bringt, sondern zu Lasten der Patientenversorgung geht. Hier muss nachgebessert werden.“

Kritik an Überdokumentation bei Bagatellbehandlungen

Metke nannte hier die erheblichen Dokumentations-, Aufklärungs- und Informationspflichten bei Bagatellbehandlungen sowie bei psychotherapeutischen Behandlungen. „Das Gesetz unterscheidet in seinen Maßstäben nicht nach schweren Eingriffen wie beispielsweise großen Operationen oder nach leichten und unproblematischen Behandlungen, wie sie in den Arztpraxen in erster Linie vorkommen. Wenn die Aufklärung, Information und Dokumentation deutlich mehr Zeit in Anspruch nimmt als Gespräch, Diagnose und Therapie läuft etwas falsch. Der Arzt kann nicht bei einer normalen Routinebehandlung den Patienten erst über Maßnahmen zu Erstellung einer Diagnose ('Blut abnehmen'), mögliche Risiken und Alternativen informieren, dann das Einverständnis des Patienten sich schriftlich geben lassen, alles dokumentieren, dann die Maßnahmen vornehmen, die Diagnose erstellen, eine Therapie vorschlagen, hier wiederum über die Risiken und Alternativen informieren und dies alles noch einmal dokumentieren. Alle Ärzte, die eine große Zahl an Patienten versorgen, werden dies nicht leisten können. Die Ärzte sollen ihre Zeit verwenden, um die Patienten zu versorgen und nicht um sich mit formellen Anforderungen abzugeben.“

Der KVBW-Chef kritisierte weiter, dass das Patientenrechtegesetz für die psychotherapeutische Behandlung nicht anwendbar ist. „Hier müssen wir andere Dokumentationspflichten einführen, die sich an den Anforderungen der Behandlung orientieren.“

Der KVBW-Chef warnte in diesem Zusammenhang davor, das Arzt-Patientenverhältnis weiter zu verrechtlichen. „Der Arzt genießt ein Ansehen und Vertrauen in der Bevölkerung wie kein anderer Beruf. Wir sollten uns daher davor hüten, das Verhältnis stärker auf eine formale Ebene zu stellen.“

Deutlich distanzierte sich Metke von Forderungen der SPD-geführten Bundesländer, die Patientenrechte wesentlich weiter zu fassen als dies im vorliegenden Gesetzentwurf der Fall ist. „Es mag nett für die Patienten sein, nach Abschluss der Behandlung einen verständlichen Arztbrief zu erhalten, aber das ist schlichtweg nicht leistbar. Die KVBW rechnet bei 70 Millionen Behandlungsfällen im ambulanten Bereich in Baden-Württemberg hierbei mit Kosten von etwa einer halben Milliarde Euro pro Jahr - nur in Baden-Württemberg. Wenn Professor Lauterbach (SPD) sich auf dem Deutschen Ärztetag mit der Forderung nach Entbürokratisierung feiern lässt, ist es geradezu grotesk immer mehr Regulierung zu fordern, damit sollte er Überbürokratisierungsmonstern seiner Partei Einhalt gebieten“

Die KVBW hat bereits eine Stellungnahme auf ihrer Homepage zum Thema Patientenrechtegesetz veröffentlicht.

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