Auftakt zu Vorstand on Tour in Reutlingen

Der Saal in der BD Reutlingen war gut besetzt.

Dr. Johannes Fechner
Unter Applaus erläuterte Dr. Johannes Fechner, dass eine gleichmäßige Dienstbelastung zwischen Stadt und Land den Arztberuf attraktiver mache und damit ein wichtiger Baustein für die Nachwuchssicherung sei.
Vorstand on Tour für Ärzte 2012 in Reutlingen
Dr. Norbert Metke abschließend: „Sterne können wir leider nicht vom Himmel holen. Aber wir hoffen, dass es uns gelingt, die Wettkampfspirale durch Leistungsdeckelung zu durchbrechen.“
Vorstand on Tour Reutlingen 2012
Für Fragen wurde reichlich Zeit eingeplant. Dr. Barczok (im Hintergrund) moderierte.
Vorstand on Tour in Reutlingen
Chat an Stehtischen und Beratungsangebote im Nachgang wurden gerne angenommen (links Jürgen Doebert und Susanne Blessing).

Das Tourmotto 2012 "Raus aus dem Hamsterrad" ist eng verknüpft mit dem neuen Honorarverteilungsmaßstab (HVM), der erst wenige Tage vor dem Tourstart durch die Vertreterversammlung mehrheitlich verabschiedet wurde. Der Saal in der BD Reutlingen war gut besetzt. Unter den Gästen waren auch die regionalen Vertreter Dr. Michael Haen, Dr. Manfred Eissler, Diplom-Psychologe Jürgen Doebert sowie Dr. Susanne Blessing.

Positive Grundstimmung

Schon bei der Begrüßung durch Moderator Dr. Michael Barczok, den Sprecher des Bezirksbeirates Reutlingen und Mitglied der Vertreterversammlung, wurde deutlich, dass das Verhältnis zwischen Vorstand, Ärztevertretern und Basis von positiver Grundstimmung geprägt ist. Wer hätte es bis vor kurzem gewagt, vor Versammlungen von "unserer" KV zu reden? Barczok selbst stand noch ganz unter dem Eindruck der ersten XXL-Vertreterversammlung in seiner Laufbahn als Delegierter, in der einen ganzen Tag lang der neue HVM diskutiert wurde. Wieder einmal habe es der Vorstand meisterhaft verstanden, trotz eigener Linie, alle Beteiligten mitzunehmen.

Die Antwort auf die Frage nach dem Erfolgsrezept gab Vorstandsvorsitzender Metke selbst während eines bunten Spazierganges durch das erste Amtsjahr. Dabei musste er die Gegenüberstellung von Plan und Wirklichkeit nicht scheuen. Es sei geglückt, die KVBW durch einen kleinen Vorstand und eine Geschäftsführungsebene zu stabilisieren. Die KVBW präsentiere sich heute geschlossen und entscheidungsstark. Für Ärzte in Not leistete Docline seit dem Start im Juli 2011 in rund hundert Fällen schnelle Hilfe. Durch Umsetzung des sogenannten Baumgärtner-Urteils konnten über 40.000 bisher ruhende Widersprüche abgearbeitet werden. Die ureigenste Aufgabe der KVBW, der Sicherstellungsauftrag, kann durch die Neuordnung des Notfalldienstes und neue Versorgungsmodelle wie RegioPraxisBW gewahrt werden. Mit Bad Schussenried und Baiersbronn als mögliche Standorte werden derzeit Verhandlungen geführt.

Honorarsteigerung

Metke berichtete von den Maßnahmen zur Stabilisierung des Honorars der Ärzte. 2011 lag der Honorarzuwachs in Baden-Württemberg deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Hinzu kamen extrabudgetär vergütete Leistungen wie Ambulantes Operieren und eine Reihe von Leistungen, die mit den Krankenkassen vereinbart wurden. Dazu gehören Add-On-Verträge, wie beispielsweise der Pflegeheimvertrag oder der kürzlich geschlossene Patientenbegleitungsvertrag oder auch die Stützung des Notfalldienstes. Heute existieren Kollektiv- und Selektivverträge geordnet miteinander, ohne dass eine Vertragsform auf Kosten der anderen gehe.

Neuer HVM

Der ab 1. Juli gültige Honorarverteilungsmaßstab ist das Regelwerk für die wieder erstarkte regionale Zuständigkeit in der Honorarverteilung. Erstmalig ist ein HVM gemeinsam mit den Beratenden Fachausschüssen der Kassenärztlichen Vereinigung, der Vertreterversammlung und allen Berufsverbänden entstanden. Mehrheitlich wurde beschlossen, die vertrauten Module RLV und QZV fortzuführen. „Die KVBW sah den größten Handlungsbedarf in der Umverteilungsmaschinerie, die teilweise groteske Formen angenommen hat“, sagte Metke. „Der neue HVM steht daher unter dem Motto Planungs- und Kalkulationssicherheit in den Praxen.“

Regresse

Ein Dauerthema sind die Regresse im Verordnungsbereich. Unter stärkerer Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten bei Verordnungen von Arzneimitteln und Heilmitteln wurde die Anzahl der Regresse um ein Prozent gesenkt. Zukünftig setzt Metke große Hoffnungen auf ein Bonus gestütztes Programm zur rationellen Pharmakotherapie. Das Programm unter der Bezeichnung K6 sei für den Arzt mit geringem Aufwand und bereits vorhandener IT-Ausstattung zu realisieren. An der Kostenersparnis der Krankenkassen wolle die KV partizipieren.

Reform des EBM

Eine Reform des EBM hält Metke grundsätzlich für notwendig: „Der Arzt ist nachweislich unterbezahlt, eine EBM-Reform 2014, die unter dem Motto Ausgabenneutralität steht, ist schlichtweg Unsinn. Wir brauchen keine erneute Umverteilung, sondern Honorarzuwachs. Das haben nicht nur unsere Ärzte und Psychotherapeuten verdient, sondern erst Recht die Patienten. Dafür werden wir uns in Berlin stark machen.“ Das Patientenrechtegesetz wiederum hält Metke für eine Aktion zu Lasten der Ärzte, die zu noch mehr Dokumentations- und Aufklärungsaufwand führe und damit auch dem Patienten letztendlich schade.

Wer sind wir eigentlich?

Spontanen Applaus gab es für die geplante bundesweite Imagekampagne der KBV. „Gesundheitsberufe wie Hebammen, Pflegekräfte oder Physiotherapeuten versuchen sich ein Stück vom Kuchen der ärztlichen Leistungen abzuschneiden. Als Konsequenz beklagen die deutschen Ärzte den Verlust von Honorar - und genauso schmerzlich - den Verlust von Ansehen. Die Kampagne soll dem Arztberuf auch vor dem Hintergrund des Nachwuchsmangels neuen Glanz verleihen, verloren gegangene Reputation und Attraktivität zurückgeben.“

Reform Notfalldienst

In Sachen Reform des Notfalldienstes hat sich viel getan, konnte Vorstand Johannes Fechner stolz berichten. Etliche Bezirke haben sich schon zusammengeschlossen und zentrale Notfallpraxen gegründet. Geradezu modellhaft sei die bevorstehende Umsetzung der Reform im Landkreis Reutlingen. Dort habe die Ärzteschaft ein solidarisches System beschlossen, in dem der Notfalldienst an drei Standorten in Notfallpraxen an Krankenhäusern geleistet werde. Um die Belastung zwischen der Region in der Ebene und auf der Schwäbischen Alb zu verteilen, übernehmen die Ärzte auf der Alb dort den Fahrdienst, während die aus Reutlingen für den Sitzdienst auf die Alb pendeln. Fechner stellte noch einmal die Notwendigkeit der Reform als Maßnahme gegen den Ärztemangel heraus. „Die Reform ist aber auch Voraussetzung für die Umsetzung der seit April bundesweit eingeführten einheitlichen Bereitschaftsdienstnummer 116 117. In Baden-Württemberg wird sie deshalb erst später an den Start gehen.“

In der abschließenden Diskussionsrunde stellte Metke selber eine Frage: „Wann gibt es endlich verständliche Honorarbescheide?“ Die Beantwortung bereitete ihm sichtlich Freude: „2013 soll es so weit sein. Derzeit wird am Entwurf gearbeitet, der nach einer vorausgehenden Testphase eingeführt werden soll.“ Die offene „Sprechstunde“ mit den Delegierten und Bezirksbeiräten im Anschluss an die Veranstaltung wurde genau wie die Beratungsangebote der KV gerne angenommen. Diesen Eindruck bestätigten auch die ersten insgesamt sehr positiv bewerteten Feedbackbögen, die eingegangen sind.