Ambulante Geburtshilfe gefährdet
Die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) unterstützt den Protest der Hebammen gegen die stark angestiegenen Kosten für die Berufshaftpflichtversicherung und weist in diesem Zusammenhang auf die Situation bei den niedergelassenen geburtshilflich tätigen Gynäkologen hin. Vorstandschef Dr. Nobert Metke sagte am Freitag in Stuttgart: „Wir können es gut nachvollziehen, wenn die Hebammen auf die Straße gehen und die Politik auffordern einzugreifen. Die Prämien für die Berufshaftpflichtversicherung bei den in der Geburtshilfe tätigen Berufen haben sich in der Zwischenzeit zu einem Problem erster Güte entwickelt. Dies betrifft gleichermaßen die in den Krankenhäusern oder der Niederlassung tätigen Gynäkologen, was oft vergessen wird. Wenn die Entwicklung so weiter geht, wird es bald keine ambulante Geburtshilfe mehr geben.“
Nach Angaben Metkes haben sich die Prämien für die niedergelassenen Frauenärzte, die in der Geburtshilfe tätig sind, in den letzten Jahren vervierfacht. „Noch vor etwa zehn Jahren lagen die Prämien umgerechnet bei rund 5.000 Euro, heute muss ein Arzt rund 20.000 Euro pro Jahr bezahlen. Dies gilt aber nur für Altverträge. Wenn ein junger Arzt, der sich niederlässt, diese Leistung heute anbieten möchte, muss er als Neueinsteiger zwischen 25.000 und 40.000 Euro pro Jahr bezahlen. Das ist jenseits einer Grenze, die wirtschaftlich noch in irgendeiner Form realistisch ist.“ Die Folgen davon seien spürbar: „In den letzten Jahren hat sich die Zahl der niedergelassenen Geburtshelfer von rund 17.800 auf 13.300 reduziert. In absehbarer Zeit wird es keinen mehr geben. Geburten werden dann nur noch in großen Kliniken möglich sein, die in der Lage sind, derartige Prämien abzufangen.“
30 Jahre Haftung
Der KVBW-Chef verwies auf die Probleme, die sich durch die Haftungsbestimmungen ergeben: „Die Haftung für mögliche Fehler bei der Geburt läuft 30 Jahre lang. Das bedeutet, dass ein Arzt bis zu 30 Jahre nach der Geburt für einen möglichen Fehler rechtlich belangt werden kann. Da sich die Schadenssumme nach heutigen Maßstäben richtet, die Versicherung jedoch nur bis zu der zum Zeitpunkt des Schadenseintritts abgeschlossenen Haftungssumme übernimmt, sind viele Kolleginnen und Kollegen heute für derartige Fälle völlig unterversichert. Die Schadenssummen sind so hoch, dass keine Versicherung mehr bereit ist, dafür den Versicherungsschutz zu übernehmen.“
Arzt-Patienten-Verhältnis nicht verrechtlichen
Für Metke ist dies eine gefährliche Entwicklung. „Ich sehe hier eine zunehmende Weiterentwicklung einer verrechtlichten Gesellschaft. Für jeden denkbaren Fall wird versucht, einen Schuldigen haftbar zu machen. Bei den vielen tausend Kindern, die jedes Jahr in Deutschland auf die Welt kommen, ergeben sich erfreulicherweise nur in einem verschwindend geringen Teil Geburtsfehler. Für diese wenigen Fälle müssen letztendlich alle büßen, da sie insgesamt die Versicherungsprämien in die Höhe treiben.“ Er warnte vor diesem Hintergrund vor der weiteren Entwicklung. „Wir schaden der Versorgung allgemein, wenn wir das Arzt-Patientenverhältnis immer stärker auf eine rechtlich-formelle Basis stellen. Das Patientenrechtegesetz, das derzeit in Berlin diskutiert wird, wird hierbei nicht förderlich sein, sondern das Arzt-Patienten-Verhältnis noch stärker verrechtlichen.“