Marktrücknahme von Brintellix® (Vortioxetin)
Brintellix® wurde am 1. Mai 2015 zur Behandlung von Episoden einer Major Depression bei Erwachsenen in Europa zugelassen. Der Hersteller Lundbeck GmbH hat nun angekündigt, das Arzneimittel Brintellix® zum 15. August 2016 vom deutschen Markt zu nehmen. Die Firma hat sich zu diesem Schritt entschlossen, nachdem der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) in der frühen Nutzenbewertung keinen Zusatznutzen für Vortioxetin anerkannt hatte und sich Hersteller und GKV-Spitzenverband anschließend nicht auf einen Erstattungspreis einigen konnten. Der Erstattungsbetrag wurde daraufhin von der Schiedsstelle festgesetzt und ist rückwirkend zum 1. Mai 2016 gültig.
Zusatznutzen nicht belegt
Für die Bewertung eines möglichen Zusatznutzens wurde vom G-BA je nach Schweregrad der Erkrankung eine zweckmäßige Vergleichstherapie festgelegt. Für leichte depressive Episoden wurde ein beobachtendes Abwarten, für mittelgradige Episoden ein Antidepressivum aus der Wirkstoffgruppe der selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und für schwere depressive Episoden eine Behandlung mit einem SSRI sowie das Angebot einer Psychotherapie gewählt.
Für die Bewertung von Vortioxetin bei mittelgradigen und schweren Episoden hat der Hersteller als zweckmäßige Vergleichstherapie ausschließlich den Wirkstoff Citalopram gewählt, die Psychotherapie blieb unberücksichtigt. Vorgelegt wurden keine Studien, in denen Vortioxetin direkt mit Citalopram verglichen wurde, sondern eine Metaanalyse verschiedener Studien in denen Vortioxetin bzw. Citalopram jeweils gegen Placebo getestet wurden. Von den insgesamt 24 vorgelegten Studien flossen allerdings nur sieben in die Metaanalyse mit ein.
Zudem wurde vom G-BA bemängelt, dass für den indirekten Vergleich nur Studien mit einer Dauer von sechs bis acht Wochen berücksichtigt wurden. Es wurde also nur die Akuttherapie betrachtet. Demnach kann keine Aussage zum Remissionserhalt getroffen werden.
In der einzigen Studie, in der ein direkter Vergleich mit einer Substanz der zweckmäßigen Vergleichstherapie erfolgte, sollten die Effekte von Vortioxetin im Vergleich zu Escitalopram auf die Sexualfunktion bei Erwachsenen, die unter einer SSRI-Therapie eine sexuelle Dysfunktion entwickelten, untersucht werden. Vortioxetin zeigte in dieser Studie keinen Vorteil gegenüber Escitalopram. Da der G-BA darüber hinaus die Studie für eine Bewertung der depressiven Symptomatik als ungeeignet erachtet, ergaben sich auch hier insgesamt keine Anhaltspunkte für einen Zusatznutzen von Vortioxetin.
Für Patienten mit einer leichten Depression hat der Hersteller keine Studien vorgelegt, so dass keine Bewertung des Zusatznutzens bei leichten Depressionen möglich war.
Insgesamt sind die vorliegenden Daten aus Sicht des G-BA nicht geeignet, um einen Zusatznutzen von Vortioxetin für die gesamte Behandlung einer Episode einer Major Depression abzuleiten.
Brintellix®-Patienten umstellen
Weil der Hersteller Brintellix® nun vom deutschen Markt nehmen wird, bitten wir Sie, keine Patienten mehr auf das Präparat einzustellen. Die Patienten, die bereits mit Brintellix® behandelt werden, stellen Sie bitte zeitnah auf geeignete Alternativen um. Während der Umstellungsphase ist wie bei jeder Änderung der antidepressiven Pharmakotherapie eine engmaschige psychiatrische und somatische Überwachung notwendig.
Im europäischen Ausland ist das Präparat weiterhin verfügbar. Allerdings wird es dort zu einem Preis vertrieben, den der G-BA angesichts des fehlenden Zusatznutzens als deutlich zu hoch eingestuft hat. Wenn eine Therapie mit Brintellix® aus ärztlicher Sicht im Einzelfall als medizinisch notwendig erscheinen sollte (z. B. weil sich die zweckmäßige Vergleichstherapie oder andere antidepressive Wirkstoffe als unwirksam, unverträglich oder kontraindiziert erwiesen haben), muss die Leistungspflicht der GKV aufgrund des Status als Import-Präparat über ein MDK-Gutachten bewertet werden – insbesondere auch vor dem Hintergrund des Wirtschaftlichkeitsgebots nach § 12 SGB V.
In diesem Zusammenhang möchten wir Sie auch auf unseren Artikel „Import-Arzneimittel: Wann besteht Leistungspflicht der GKV?“ im Verordnungsforum 37 hinweisen. Den Artikel finden Sie auch auf unserer Homepage.