Bundesbehörde hebelt Landesrecht aus

Bundesamt für Soziale Sicherung beanstandet Honorarvertrag BW mit den Krankenkassen: „Realitätsferner Schlag ins Gesicht Kranker und der sie versorgenden Ärzte und ihrer Mitarbeiter“

Das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) hat die durch das Landesschiedsamt festgelegte Honorarvereinbarung 2020, die einvernehmlich zwischen den Krankenkassen und Ärzten zur Optimierung der Versorgung für 2020 abgestimmt war, beanstandet und in wesentlichen Teilen außer Kraft gesetzt. Damit entfallen Förderungen in einem Umfang von knapp 100 Millionen Euro pro Jahr für ausgesprochen sensible ärztliche Leistungsbereiche wie Pflegeheimbesuche, Versorgung alter Menschen, Frühförderung behinderter Kinder, Versorgung von Diabetikern und Krebspatienten, Kindervorsorgeuntersuchungen sowie für die Drogensubstitution in Schwerpunktpraxen.

Gefahr für die Versorgung

Für den Vorstandsvorsitzenden der KVBW, Dr. Norbert Metke, ist dies ein „realitätsferner Schlag ins Gesicht Schwerstkranker, Leidender und der sie versorgenden Ärzte und ihrer Mitarbeiter mit der Gefahr des Wegbrechens der ärztlichen Versorgung.“

Metke sagte am Mittwoch in Stuttgart: „Eine anonyme realitätsferne Bundesbehörde, die kraft Gesetzes eine Rechtsaufsicht und sonst nichts ist und weder eine fachliche noch moralische Kompetenz der regionalen Versorgungsgestaltung hat, maßt sich an, die regionale Versorgung von Bonn aus zu gestalten, deren lokale Struktur und Versorgungsnotwendigkeiten sie nicht kennt. Sie hebelt die Landessouveränität aus, indem sie einen vom Land für rechtmäßig gehaltenen Vertrag ad absurdum führt. Wir haben eine Honorarvereinbarung mit allen Krankenkassen abgestimmt, die damit auch aus deren Sicht für die Menschen im Land notwendig und rechtskonform ist. Gemeinsam mit den Krankenkassen haben wir im Dezember das Schiedsamt angerufen, in dem auch das BAS seine Sicht vorgetragen hat. Die unabhängigen Experten des Schiedsamtes haben die Rechtsansicht der KVBW bestätigt und dem BAS eine krachende Niederlage bescheinigt. Der Schiedsspruch ist an Deutlichkeit kaum zu überbieten.“

Landesregierung unterstützt

Sozial- und Integrationsminister Manne Lucha zeigt ebenfalls wenig Verständnis für die Beanstandung durch das BAS. „Die Landesregierung unterstützt die Vertragspartner der Selbstverwaltung darin, Vergütungsregelungen für die regionalspezifischen Anforderungen vor Ort zu treffen. Die Honorarvereinbarung ist an den Notwendigkeiten der Menschen orientiert. Wir lehnen die Eingriffe in die Versorgung durch eine Bundesbehörde ab. Die KVBW und die Krankenkassen haben hier in der Ver-gangenheit vorbildlich gearbeitet und damit wichtige Regelungen für die Verbesserung der Versorgung in Baden-Württemberg getroffen. Denn Gegenstand der Vereinbarungen sind besondere Förderungen für Leistungen, die unmittelbar der Versorgung der Patienten dienen. Wie alle bisherigen Vergütungsvereinbarungen halten wir auch diese für rechtskonform und weisen die Rechtsansicht des BAS daher mit aller Entschiedenheit zurück.“

Desaströse Folgen

Laut Metke sind die Folgen der Beanstandung desatrös und gravierend. „Wer insbesondere in der derzeitigen Zeit Zuschläge für Besuche in Pflegeheimen verbietet und die Versorgung von Krebspatienten schlechter stellt, ohrfeigt die Betroffenen in einer kritischen Lebensphase und nimmt dabei ein Wegbrechen der Versorgung in Kauf. Wir können Leistungen in Millionenhöhe nicht mehr ausbezahlen. Das Volumen mag im Verhältnis zur Gesamtvergütung gering sein. Für die einzelnen Ärzte mit den genannten Schwerpunkten ist dies aber keineswegs so.“ Metke machte deutlich, dass sich die KVBW mit allen zur Verfügung stehenden rechtlichen Mitteln gegen das BAS wehren wird. „Das lassen wir uns nicht bieten. Das ist weder für unsere Mitglieder noch für die Patienten vertretbar. Wir bitten Minister Spahn und die Bundesebene nachdrücklich, das BAS zu veranlassen, sich auf seine gesetzlich vorgegebene Funktion der Rechtsaufsicht zu begrenzen und keine Fachaufsicht durchzuführen und nicht aus Prinzip die von den Landesregierungen für notwendig gehaltene Ausgestaltung der Versorgung zu Lasten aller zu behindern.“