Ziel erreicht: Telemedizin-Projekt docdirekt entlastet Praxen und Notaufnahmen

Fortführung des Projektes für weitere zwei Jahre

Mit Fernbehandlungen bei docdirekt können die Arztpraxen und Notaufnahmen in Baden-Württemberg von vermeidbaren Konsultationen entlastet werden. Das zeigt die nun abgeschlossene Evaluation. Die Vertreterversammlung der KVBW beschloss die Fortführung des Projektes für weitere zwei Jahre.

„Es freut mich, dass wir mit docdirekt dazu beitragen können, das bestehende Gesundheitssystem zu entlasten und ein ergänzendes Angebot in der ambulanten Versorgung geschaffen zu haben. 50 Prozent der Patientinnen und Patienten, die docdirekt in Anspruch genommen haben, hätten sonst die Notaufnahme aufgesucht und 20 Prozent eine Arztpraxis“, erklärt Dr. Johannes Fechner, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KVBW.

„Unsere erfahrenen Tele-Ärztinnen und Tele-Ärzte konnten rund 70 Prozent der Patientenanliegen abschließend telemedizinisch behandeln. Wir haben gezeigt, dass Telemedizin eine wichtige Ergänzung zur Regelversorgung sein kann. Besonders stolz sind wir auch auf die Weiterempfehlungsrate von 97 Prozent“, so Fechner weiter. So sei es nur folgerichtig, dass die KVBW-Vertreterversammlung die Fortführung des Projektes für die nächsten zwei Jahre beschlossen hat. „Auch die Delegierten sehen die Vorteile eines Telemedizin-Angebotes, das von KV und niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten kommt und das nicht abhängig ist von einem umsatzgetriebenen Unternehmen.“

Ergebnisse der wissenschaftlichen Evaluation

Das Institut für Allgemeinmedizin des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein am Campus Lübeck, hat das Projekt vom 16. April 2018 bis zum 16. April 2020 wissenschaftlich evaluiert. „Ziel war es, das Modellprojekt docdirekt im Hinblick auf die Akzeptanz von Versorgungsangeboten zur ausschließlichen Fernbehandlung aus der Patienten-, Anwender- und Organisationsperspektive zu evaluieren. Das Hauptprojektziel, Arztpraxen und Notaufnahmen um vermeidbare Besuche zu entlasten, konnte mit docdirekt erreicht werden“, erklärt der Institutsdirektor Prof. Dr. Jost Steinhäuser.

Weitere Ergebnisse: Am wichtigsten bei einer ausschließlichen Fernbehandlung wurde von den Teilnehmenden der „schnelle ärztliche Kontakt“ empfunden. Ebenfalls wichtig fanden die Patientinnen und Patienten den „Datenschutz“ und „geschulte Teleärzte“. Der Aspekt „Bequemlichkeit“, wie beispielsweise nicht im Wartezimmer sitzen zu müssen, spielte hingegen eine untergeordnete Rolle. Außerdem ergab die Evaluation: Die Tätigkeit bei docdirekt könnte besonders für Ärztinnen und Ärzte attraktiv sein, die flexibel aus dem Homeoffice in Elternzeit oder im Ruhestand die telemedizinische Behandlung in Teilzeit erbringen. Daher wäre eine Tätigkeit bei docdirekt im Homeoffice eine Möglichkeit, die Anzahl der ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzte zu erhöhen und damit zur Sicherstellung der ambulanten medizinischen Versorgung beizutragen. 

Der Weg eines Vorreiterprojektes

Das zukunftsweisende Projekt ging am 16. April 2018 an den Start. Voraussetzung war die Genehmigung durch die Landesärztekammer Baden-Württemberg, die im Rahmen von Modellversuchen die Fernbehandlung – also ohne vorherigen Kontakt von Patientin und Patient mit Ärztin oder Arzt – ermöglicht hat. Die KVBW erprobte damit bundesweit erstmals die ausschließliche Fernbehandlung für Kassenpatientinnen und Kassenpatienten. Bis zum 16. April 2020 behandelten die Tele-Ärztinnen und Tele-Ärzte insgesamt 3.090 Fälle telemedizinisch über docdirekt.

Während in der Startphase noch unter 40 Fälle im Quartal registriert wurden, stieg die Zahl der Fernbehandlungen im dritten Quartal 2019 auf über 600. Von August 2019 bis Mitte März 2020 wurde docdirekt an die 116117 angebunden. Über eine Tastenwahl konnten Patientinnen und Patienten direkt in die Vermittlung einer telemedizinischen Behandlung geleitet werden. Diese Aufschaltung hatte einen starken Effekt auf die Nutzungszahlen und ist somit ein wichtiges Instrument zur Steuerung der Patientenströme. 

Von März bis Oktober 2020 musste docdirekt von der 116117 entkoppelt werden, um den starken Anstieg der Anrufe rund um das Geschehen durch SARS-CoV-2 bewältigen zu können. Seit November 2020 ist docdirekt wieder durchgehend an die zentrale Rufnummer 116117 angebunden. 

So funktioniert docdirekt

Mit docdirekt steht den gesetzlich Krankenversicherten in Baden-Württemberg von Montag bis Freitag von 9 bis 19 Uhr eine kostenfreie, qualitätsgesicherte ärztliche Beratung zur Verfügung. Eine Kontaktaufnahme ist über die 116117, die docdirekt-App oder über www.docdirekt.de möglich. Eine speziell geschulte Medizinische Fachangestellte (MFA) erfasst Personalien, Krankheitssymptome, klärt die Dringlichkeit und vereinbart einen Termin für den Rückruf durch den Tele-Arzt. Ein Notfall wird direkt an den Rettungsdienst weitergeleitet.

Ein Arzt oder eine Ärztin aus dem Pool der Teleärzteschaft nimmt den Fall an und ruft die Patientin oder den Patienten innerhalb des gewünschten Zeitfensters zurück. Die telemedizinische Behandlung wird dann vollumfänglich durchgeführt und nach Abschluss des Termins erhalten die Patient*innen einen Kurzbericht. Ist dennoch eine taggleiche persönliche Vorstellung bei einer Ärztin oder einem Arzt notwendig, werden die Patientinnen und Patienten an eine dienstbereite Haus- oder Facharztpraxis weitergeleitet. Im gesamten Prozess genießen Datensicherheit und Datenschutz oberste Priorität.

Förderung durch Sozialministerium

Das Sozialministerium unterstützt die Evaluation des Telemedizinprojekts docdirekt mit einer Förderung im Rahmen des Förderaufrufs Digitalisierung in Medizin und Pflege Höhe von 100.000 Euro.

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