Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG): Resolution der Vertreterversammlung

Die Delegierten der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg und damit die gewählten Vertreter von mehr als 22.000 niedergelassenen Ärzten, Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichen­psycho­therapeuten, fordern die Bundesregierung nachdrücklich zu Änderungen am Kabinettsentwurf eines Terminservice- und Versorgungsgesetzes auf. Sie sind nicht bereit, das Gesetz in der aktuellen Form hinzunehmen. 

  • Weiterhin wird am bisherigen Regelwerk weitgehend festgehalten, das zu der heutigen Problematik in der Versorgung geführt hat.
  • Weiterhin gibt es keine Ansätze für eine vernünftige Patientensteuerung.
  • Das Gesetz schränkt den Freiraum der Praxen weiter ein und ist ein Angriff auf die Freiberuflichkeit. Es richtet sich damit gegen die niedergelassenen Ärzte.
  • Der Staat schafft einen bürokratischen Overkill und greift tief in die Organisation der Praxen ein.
  • Die Ausbudgetierung einzelner Bestandteile wird begrüßt, sie werden aber durch zusätzliche Bürokratie konterkariert. Die Delegierten fordern eine einfache Lösung, die in der Ausbudgetierung aller Grundleistungen besteht.
  • Die im Gesetz enthaltenen Maßnahmen sind nicht geeignet, zusätzliche Termine zu schaffen.
  • Die Einführung der Ambulanten Kodierrichtlinien wird abgelehnt.
  • Die Selbstverwaltung wird weiter ausgehöhlt, die Kassenärztlichen Vereinigungen werden durch den Gesetzgeber immer mehr zu einer „Sprechstundenpolizei“.

Die Delegierten stellen fest, dass das Gesetz in der vorliegenden Form das Ziel eines vermehrten Sprechstundenangebots aufgrund seiner Komplexität nicht erreicht. Es führt zu einer spürbaren Benachteiligung des hausärztlichen Versorgungsbereiches durch die vorgesehene Form der Zusatzvergütung für Neupatienten und zu einer drastischen Verschlechterung chronisch kranker Patienten, wenn auch der begonnene Einstieg in die Entbudgetierung ein erster Schritt in die richtige Richtung darstellen könnte. Gleichzeitig stellen die Delegierten fest, dass die Politik an den Maßnahmen weitgehend festhält, die zu der heutigen Problematik geführt hat. Nach wie vor gibt es keine Ansätze für eine vernünftige Patientensteuerung, auch geht die Politik das Problem, dass zu wenige Studienplätze zur Verfügung stehen, nicht an. 

Aus Sicht der Delegierten wird die Versorgung auf heutigem Niveau nur weiter zu gewährleisten sein, wenn die Politik, insbesondere auch der nachkommenden Generation an Ärzten und Psychotherapeuten, die sich zunehmend aufgrund der derzeitigen Rahmenbedingungen der Niederlassung verweigert, wieder mehr Freiraum in ihrer Tätigkeit einräumt. Die Delegierten zeigen sich enttäuscht, dass der Gesetzgeber stattdessen die Ärzte durch immer mehr planwirtschaftliche und bürokratiegezeichnete Ansätze und durch nicht mehr tolerierbare Kontroll- und Sanktionsmechanismen aus der Niederlassung vertreibt und damit einer anonymen, nur noch am Gewinn von Shareholder Value orientierten, empathielosen Konzernmedizin Tür und Tor öffnet. Das Gesetz führt dazu, dass vom Arzt und Psychotherapeut als freiem Beruf immer weniger übrigbleibt. Es gängelt diejenigen, die für die Versorgung der Patienten verantwortlich sind und stellt einen weiteren Eingriff in den freien Beruf dar. Das Gesetz richtet sich damit gegen die niedergelassenen Ärzte. 

Das Ziel der Bundesregierung, für GKV Versicherte mehr Termine mit mehr Mitteln zur Verfügung zu stellen, wird nur umsetzbar sein, soweit die hierfür notwendigen Ärzte und Psychotherapeuten zur Verfügung stehen. Daher wird die vorgesehene Reform der Bedarfsplanung begrüßt. Gleichzeitig halten die Delegierten die befristete ungesteuerte Öffnung der Bedarfsplanung für einzelne Berufsgruppen für den falschen Weg.

Völlig abgelehnt wird aber der mit dem Gesetz vorgesehene bürokratische und organisatorische Overkill, indem der Staat tief in die Organisationsstrukturen der Praxen durch Vorgabe des Praxisablaufes in Form z. B. „Offener Sprechstunden“ eingreift und hiermit ein geordnetes Terminmanagement verhindert. Das vorgesehene Mehr an Mitteln zur zeitnahen Ver-sorgung in Form einer Teil-Entbudgetierung und/oder Zuschlagsystems einzelner Leistungen und Sprechstundenarten zeigt eine Komplexität auf, die in dieser Weise weder von den Patienten nachvollzogen werden kann und in den Praxen nicht verstanden wird. Sie ist schlechthin nicht umsetzbar. Hinzu kommt die Einführung der Ambulanten Kodierrichtlinien. 

Damit wird das Ziel eines Mehr an zeitnahen Terminen nicht erreicht.

Die Delegierten lehnen es ab, dass der Staat tief in die Organisation der Praxen eingreift. Er verhindert damit insbesondere individuelle Versorgungslösungen. Maßnahmen, wie etwa die verpflichtende offene Sprechstunde für Fachärzte, mögen für einige Praxen bereits heute unter bestimmten Voraussetzungen durchaus sinnvoll sein. Sie für den Großteil der Praxen gesetzlich vorgegeben, ist hingegen nicht geeignet, einen durch Termine geordneten Praxisalltag zu finden und den Versorgungs­heraus­forderungen zu begegnen. Da-für sind die Praxen zu unterschiedlich, die Patienten und die Praxis­leistungen zu heterogen, als dass es eine Lösung geben kann, die für alle gilt. 

Die Delegierten fordern die Entbudgetierung aller Grundleistungen, da sie wesentlich einfacher und transparenter umzusetzen wäre. Hierzu kann die Grundlage eine erweiterte Funktion der Terminservicestellen sein, die nach medizinischer Priorität Termine an Patienten vermitteln, die ihren Haus- oder Facharzt selbst nicht erreichen. 

Darüberhinaus soll die beabsichtigte 24/7-Öffnung der Terminservicestellen als Einstieg in die Entbudgetierung so ausgestaltet werden, dass außerhalb der üblichen Sprechstundenzeiten ausschließlich Notfalltermine gegebenenfalls in Verbindung mit den Rettungsleistellten vermittelt werden müssen. 

Die Kassenärztlichen Vereinigungen als Selbstverwaltung der niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten werden durch staatliche Eingriffe zunehmend ausgehöhlt. Die Delegierten wehren sich dagegen, dass der Staat die KVen immer mehr zu einer „Sprechstundenpolizei“ macht und fordern daher eine Rückkehr des KV-Systems zu einer echten Selbstverwaltung ihrer Mitglieder.