HCT und ACE-Hemmer in der Therapie kardiovaskulärer Erkrankungen

Mögliche Hinweise auf statistisch erhöhtes Risiko für bestimmte Krebsarten

Hydrochlorothiazid (HCT) und ACE-Hemmer werden häufig in der Therapie kardio­vaskulärer Erkrankungen verordnet. Aktuelle pharmako-epidemiologische Studien weisen nun darauf hin, dass beide Therapieoptionen mit einem statistisch erhöhten Risiko für bestimmte Krebsarten assoziiert sein könnten.

Erhöhtes Risiko für nicht-melanozytären Hautkrebs unter der Therapie mit HCT

Die fotosensibilisierende Wirkung des Diuretikums HCT ist seit längerem bekannt. Zwei aktuelle Studien haben nun Daten der dänischen Krebs- und Verordnungsregister ausgewertet. Es zeigte sich dabei ein erhöhtes Risiko für die Entstehung von nicht-melanozytärem Hautkrebs sowie Lippenkrebs, wenn Patienten steigenden kumulativen Dosen HCT ausgesetzt waren.

Der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) bei der europäischen Zulassungsbehörde für Arzneimittel (EMA) hat diese Hinweise zum Anlass genommen, anhand der verfügbaren Datenquellen ein Risikobewertungsverfahren einzuleiten. Als Ergebnis haben nun die Zulassungsinhaber HCT-haltiger Arzneimittel in Abstimmung mit der EMA und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) einen Rote-Hand-Brief herausgegeben:

  • Patienten sollen über die Risiken von nicht-melanozytärem Hautkrebs unter der Therapie mit HCT aufgeklärt werden.
  • Patienten sollen ihre Haut regelmäßig auf verdächtige Veränderungen hin untersuchen und bei Bedarf an den Arzt melden. Der Arzt nimmt im Verdachtsfall weitere Untersuchungen vor.
  • Patienten sollen auf angemessene Schutzmaßnahmen bei Exposition gegenüber Sonnenlicht und UV-Strahlen hingewiesen werden.
  • Ist ein Patient bereits an einem nicht-melanozytärem Hautkrebs erkrankt, sollte der weitere Einsatz von HCT sorgfältig abgewogen werden.

Patienten sollen nicht eigenmächtig die Therapie beenden, sondern mit dem behandelnden Arzt Rücksprache halten. Darauf weist auch die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) in einer aktuellen Pressemitteilung hin. Die thiazidartigen Diuretika Chlortalidon bzw. Indapamid werden in den aktuellen Leitlinien als weitere geeignete Wirkstoffe zur Behandlung der Hypertonie geführt. Entsprechend kann ein Wechsel in Erwägung gezogen werden.

Begünstigen ACE-Hemmer die Entstehung von Lungenkrebs?

Einer prospektiven Kohortenstudie im British Medical Journal zufolge kann die Langzeitgabe von ACE-(Angiotensin-konvertierendes Enzym)-Hemmern offensichtlich die Entstehung von Lungenkrebs fördern. Das ACE ist neben der Umwandlung von Angiotensin I in Angiotensin II auch für den Abbau von Bradykinin und Substanz P zuständig. Bei der Hemmung des Enzyms wird daher nicht nur die Bildung von Angiotensin II gehemmt, sondern auch Bradykinin und Substanz P akkumuliert. Für beide Botenstoffe wurde eine Beteiligung an der Angiogenese und Proliferation von Lungenkrebsgewebe nachgewiesen. Die Autoren der Studie machen daher die Anhäufung von Bradykinin und Substanz P als Ursache für das erhöhte Lungenkrebsrisiko verantwortlich.

Das relative Risiko für den einzelnen Patienten unter der Therapie mit ACE-Hemmern wird in der Studie als gering eingeschätzt. Aufgrund des breiten Einsatzes von ACE-Hemmern könnte sich jedoch die Gesamtzahl an Lungenkrebserkrankungen erhöhen. Bislang wurde weder auf nationaler noch auf europäischer Ebene ein Risikobewertungsverfahren eingeleitet.

Auch hier gilt: Patienten sollen nicht eigenmächtig die Therapie beenden, da eine unbehandelte Hypertonie mit erheblichen gesundheitlichen Risiken verbunden ist. Patienten sollten darüber informiert werden, dass die aktuellen Daten einen Hinweis auf einen ausgesprochen geringen Effekt darstellen und der Abbruch einer ACE-Hemmer-Therapie nicht zwangsläufig notwendig ist. Wünscht ein Patient dennoch die Umstellung der Therapie, bietet sich als erste Alternative zunächst ein Sartan an. Bei der Auswahl empfiehlt es sich, die aktuelle Lieferfähigkeit der Sartane zu beachten.

Zusammenfassungen der Studien, inklusive Erläuterungen zur Aussagekraft der Daten, finden Sie demnächst in unserem nächsten Verordnungsforum 48. Bei Bedarf senden wir Ihnen den Artikel gerne vorab zu.

Möglicherweise notwendige Therapie-Umstellungen sollten Sie im Rahmen der Dokumentation festhalten, um eventuelle zusätzliche Kosten im Falle einer Wirtschaft­lich­keits­prüfung begründen zu können. Können einzelne Richtwertgruppen den Richtwert des Arzneimittel-Therapiebereichs 9 „Mittel bei kardiovaskulären Erkrankungen” aufgrund von medizinisch begründeten Therapie-Umstellungen nicht einhalten, wird sich die KVBW mit den Kassen in Verbindung setzen.